Armutsbekämpfung ist auch Klimapolitik
Armutsbekämpfung und Klimapolitik sind keine Gegensätze. Das verdeutlicht Caritas Schweiz mit einem neuen Ansatz, den sie in Zusammenarbeit mit der Colorado State University und der HAFL entwickelt hat. Der Ansatz zeigt auf, dass Projekte der Entwicklungszusammenarbeit zur Reduktion von Treibhausgasemissionen im Globalen Süden beitragen können. Klimaschutz macht deshalb gerade auch in den ärmsten Ländern der Welt Sinn.
Die Industriestaaten haben sich verpflichtet, ab 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar für die internationale Klimafinanzierung bereitzustellen. Ärmere Länder sollen damit bei der Anpassung an die Erderhitzung und ihrer Reduktion der Treibhausgasemissionen finanziell unterstützt werden. Doch der Betrag, den die Schweiz und andere Industriestaaten für die internationale Klimafinanzierung aufwenden, ist ungenügend. Dies zeigt sich unter anderem in einem neuen Bericht, welchen die Schweizer Behörden vor kurzem bei der UN-Klimarahmenkonvention eingereicht haben. Im Jahr 2020 hat die Schweiz 411 Millionen US-Dollar für die internationale Klimafinanzierung ausgegeben. Caritas Schweiz fordert jedoch seit längerem, dass die Schweiz gemessen an ihrer Klimaverantwortung und ihrer Wirtschaftskraft dafür mindestens 1 Milliarde CHF aufwenden müsste.
Der Bericht an die Klimarahmenkonvention zeigt auch, dass der Betrag der Schweiz nicht nur zu tief ist, sondern grösstenteils auch aus den falschen Töpfen stammt: Die Schweiz setzt für die internationale Klimafinanzierung nicht, wie es das Pariser Klimaabkommen vorschreibt, «neue und zusätzliche» Gelder ein. Vielmehr werden dazu Mittel aus den regulären Budgets für die Internationale Zusammenarbeit umgenutzt. Dabei fliessen beträchtliche Mittel nicht in die am wenigsten entwickelten Länder, sondern auch in Klimaschutzprojekte in Länder mit mittlerem Einkommen. Die internationale Klimafinanzierung droht damit die Entwicklungszusammenarbeit zu untergraben und dies in jener Zeit, in welcher die Menschen im globalen Süden mit den Folgen mehrerer Krisen zu kämpfen haben. Bisherige Erfolge der Entwicklungszusammenarbeit laufen Gefahr, zunichtegemacht zu werden. Hinter der Umverteilung dieser Gelder steckt die Annahme, dass in den ärmsten Ländern kein oder zu wenig CO2 zu reduzieren ist, weil sie keine relevanten Emissionen ausweisen.
Climate Proofing-Ansatz von Caritas Schweiz
In Zusammenarbeit mit der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) der Berner Fachhochschule und der Colorado State University hat die Caritas einen Climate Proofing Ansatz entwickelt, mit dem eine umfassende Treibhausgasbilanzierung in der Internationalen Zusammenarbeit vorgenommen werden kann. Das ermöglicht der Organisation, die positiven Klima-Effekte zu messen, welche ihre Projekte in den Einsatzländern im Globalen Süden haben. Ein Beispiel dafür sind Projekte von Caritas im Management von Naturressourcen, beispielsweise in der Land- oder Forstwirtschaft. Diese zielen in erster Linie auf die Armutsreduktion und die Erhöhung der Resilienz der vulnerablen Bevölkerung gegenüber Klimarisiken ab, bergen aber gleichzeitig ein enormes Potential für Emissionsreduktionen. So wird zum Beispiel über agrarökologische und nachhaltige landwirtschaftliche Praktiken der Bodenkohlenstoff erhöht, CO2 wird über Aufforstungsmassnahmen gebunden und durch Waldschutzmassnahmen werden Emissionen von Waldbränden oder Rodung verhindert.
Das Fazit der Treibhausgasbilanzierung ist klar: Agrarökologische Projekte in den ärmsten Ländern reduzieren in einem beträchtlichen Ausmass CO2. «Das heisst: Armutsbekämpfung durch die nachhaltige Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen wirkt sich positiv auf das Klima aus. Die Vorstellung, dass sich grossflächige CO2-Reduktion nur in Schwellenländern betreiben lässt und in der Unterstützung ärmster Menschen kein positiver Effekt auf das Klima erzielt werden kann, müssen wir überholen. Der Beitrag von Kleinbauern im Globalen Süden an den weltweiten Klimaschutz durch nachhaltige landwirtschaftliche Praktiken und reduzierte Bodendegradation muss dringend einen monetären Wert bekommen. Idealerweise durch Lösungen, die keine hohen administrativen Hürden mit sich bringen und auf der Geberseite kein "Business-as-usual" legitimieren, wie es bei der CO2-Kompensation der Fall sein kann», sagt Arabela Philipona, Wissensmanagerin Klima bei Caritas Schweiz. Sie plädiert dafür, dass diese Erkenntnisse auch bei der Verteilung der Gelder für die internationale Klimafinanzierung stärker berücksichtigt werden.
Internationale Verpflichtungen einhalten
Von der Politik fordert die Caritas, dass sie den internationalen Verpflichtungen, welche die Schweiz im Klimaschutz, aber auch in der Internationalen Zusammenarbeit eingegangen ist, voll und ganz nachkommt, ohne dabei die eine Verpflichtung gegen die andere auszuspielen. Die aktuelle Mehrfachkrise zeigt, wie gravierend die Folgen für die Menschen in den ärmsten Ländern sind, wenn sich die negativen Folgen der Klimaerhitzung mit Lieferengpässen in der globalen Nahrungsmittelversorgung überlappen. Die Schweiz trägt sowohl beim Klimaschutz wie auch bei der Armutsbekämpfung eine grosse Verantwortung, der sie nachkommen muss.
Hinweis:
Am 7. November findet das Climate Symposium der Caritas Schweiz zum Thema «The Role of International Development NGOs in Climate Change Adaptation» in Bern statt. Im Rahmen dieser Tagung wird unter anderem der Climate Proofing-Ansatz der Caritas Schweiz näher erläutert. Das Symposium steht auch interessierten Medienschaffenden offen.
Geschrieben von Angela Lindt
Titelbild: © Fabian Biasio