Auf dem Weg zur Lokalisierung

Für eine humanitäre Hilfe, die lokal verankert ist

Welche Art der Entwicklungszusammenarbeit und humanitären Hilfe notwendig und wirksam ist, wissen Direktbetroffene und Nichtregierungsorganisationen vor Ort am besten. Es macht daher Sinn, dass die Hilfe möglichst lokal ausgestaltet wird. Was unter Lokalisierung genauer zu verstehen ist und wie sich Caritas Schweiz dafür einsetzt, zeigen wir in diesem Beitrag auf.

Zu einer der ehrgeizigsten Initiativen, um die überlastete humanitäre Hilfe zu reformieren, verpflichteten sich Geber und humanitäre Organisationen am UNO-Gipfel 2016 in Istanbul in ihrer Abschlusserklärung, dem so genannten «Grand Bargain». Eines der Hauptziele dieser Vereinbarung ist es, die humanitäre Hilfe lokaler auszugestalten. Zusammengefasst wird diese Forderung unter dem Begriff der «Lokalisierung».

Künftig sollen mindestens 25 Prozent der Gelder direkt an nationale und lokale Organisationen fliessen. Und es geht um mehr als nur Geld. Es geht um ein fundamentales Umdenken: Entscheidungsbefugnisse, Verantwortung und Ressourcen sollen viel stärker als bisher auf lokale Partner übertragen werden. Dies beinhaltet die Stärkung von lokalen Kapazitäten, wobei kritisch hinterfragt werden muss: Kapazitäten stärken wofür und durch wen? Im Vordergrund muss hier das Ziel einer lokal gesteuerten, wirksamen Hilfe stehen. In der längerfristigen Entwicklungszusammenarbeit ist dies schon länger ein Fokus mit ihrem Ziel, die lokale Zivilgesellschaft und Teilhabe zu fördern.

Über die Lokalisierungsagenda wurde seither viel debattiert und geschrieben. Jetzt müssen konkrete Massnahmen folgen. Dies fordern zahlreiche inklusive Initiativen wie die «Charter4Change» oder «Shifting the Power». Mit der Covid-19-Pandemie und Black Lives Matter-Bewegung hat das Anliegen der Lokalisierung zusätzliche Dringlichkeit erhalten. Zudem kommen neue Impulse aus der Debatte um die Dekolonialisierung der internationalen Zusammenarbeit. Dabei stehen überholte koloniale Denk- und Verhaltensmuster sowie ungleiche Machtverhältnisse bei der Umsetzung von humanitärer Hilfe und Projekten der Entwicklungszusammenarbeit in der Kritik.

Dass Handlungsbedarf für einen Systemwandel hin zu lokal geführter humanitärer Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit besteht, ist unbestritten. Dies verlangt auch eine ehrliche Selbstreflektion über die Rolle von internationalen Organisationen. Eine Neudefinition von Partnerschaft wird dabei eine wichtige Rolle spielen.

Wie Caritas die Lokalisierungsagenda umsetzt

Caritas Internationalis, die Dachorganisation der weltweit 164 Caritas-Organisationen, hat bereits für den UNO-Gipfel 2016 ein Positionspapier mit konkreten Handlungsempfehlungen veröffentlicht und sich 2018 mit eigenen Massnahmen der Lokalisierung verschrieben. Durch ihre Organisationsstruktur mit nationalen Caritasverbänden ist eine lokal geführte internationale Zusammenarbeit tief in der DNA von Caritas verankert.

«Lokalisierung ist in unserer internationalen Zusammenarbeit seit Jahrzehnten ein Prinzip, das Teil unserer Arbeit ist und auf das wir grossen Wert legen», sagt Franziska Koller, Bereichsleiterin Internationale Zusammenarbeit. Caritas Schweiz arbeitet in der überwiegenden Mehrheit ihrer Programme mit nationalen und lokalen Partnerorganisationen innerhalb und ausserhalb des Caritas-Netzwerkes zusammen. Dies ist von entscheidender Bedeutung für lokal verankerte Projekte mit nachhaltiger Wirkung.

Wie funktioniert das konkret? Um in Partnerschaften die Stärken und Entwicklungspotentiale von sowohl Caritas Schweiz als auch der jeweiligen Partnerorganisation vor Ort zu analysieren, wird eine umfassende Partner-Risiko-Analyse durchgeführt. Darauf aufbauend wird ein Plan zur Entwicklung von Kapazitäten und einer erfolgreichen Partnerschaft erstellt, mit dem sich Caritas Schweiz und ihre Partner gegenseitig bewerten und dann gemeinsam Massnahmen definieren. Damit ist eine wichtige Grundlage von Vertrauen und Transparenz und damit einer Zusammenarbeit auf Augenhöhe geschaffen.

In den Büros von Caritas Schweiz in den jeweiligen Projektländern sind zudem hauptsächlich lokale Mitarbeiter angestellt. In ihrer Kommunikations- und Fundraisingarbeit stützt sich Caritas Schweiz auf das gemeinsame Manifest für eine verantwortungsvolle Kommunikation der internationalen Zusammenarbeit, das von Alliance Sud lanciert wurde. Für ein grundlegendes Umdenken und strukturelle Veränderungen setzt sich Caritas Schweiz zusammen mit ihren Partnern auch in der Entwicklungs- und Klimapolitik für gerechte politische Rahmenbedingungen ein.

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Titelbild: © Simon Huber