Des personnes ayant fui le Venezuela arrivent au Brésil.
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Bekenntnis zur globalen Zusammenarbeit steht auf der Kippe

Der UNO-Migrationspakt wird im Parlament diskutiert

Sechs Jahre nach der Verabschiedung des UNO-Migrationspakts ist die Schweiz noch immer nicht dabei. Obwohl sie die Ausarbeitung massgeblich mitprägte, blieb ihre Zustimmung bis anhin aus. Anstatt ein unrühmliches Zeichen an die Welt zu senden, würde ein Ja zum UNO-Migrationspakt die Chance bieten, international bei Migrationsthemen mitzugestalten.

Es war ein grosser Erfolg, als 152 Staaten dem UNO-Migrationspakt (Global Compact on Migration, kurz GCM) im Jahr 2018 zustimmten. Die globale Zusammenarbeit in Migrationsfragen erhielt dadurch einen klaren Rahmen und verbesserte den Austausch zwischen den Staaten. Auch die Schweiz, die zusammen mit Mexiko massgeblich an der Ausarbeitung mitgewirkt hat, konnte stolz und zufrieden sein.

Umso erstaunlicher war es, dass die Schweiz selbst dem Pakt nicht zustimmte. Aufgrund des innenpolitischen Widerstands enthielt sie sich der Stimme. Nun, knapp sechs Jahre später, debattiert der Ständerat in der Herbstsession, ob sich die Schweiz zum Pakt bekennen soll. Und er sagt Nein dazu, weil der Pakt "nicht unbedingt im Interesse der Schweiz" sei. Das Geschäft geht nun in den Nationalrat.

Internationaler Dialog steht im Zentrum

Der UNO-Migrationspakt ist ein globales Projekt. Er ist rechtlich nicht bindend, hat dafür den Anspruch, den vielen Facetten von Migration gerecht zu werden. Wie breit die Auswahl an Themen ist, zeigt ein Blick auf die zehn Leitprinzipien und 23 Ziele. Gemeinsam sollen Lösungen für die Wahrung der Menschrechte von Migrantinnen und Migranten, für das Wohlergehen der Kinder wie auch für ein ethisch vertretbares Anwerben von Arbeitskräften gefunden werden. Aber auch ein koordiniertes Grenzmanagement, die Zusammenarbeit bei Rückkehrenden sowie die Verbesserung von legalen Migrationsmöglichkeiten sind Bestandteil.

Im Vordergrund stehen nicht einzelne Themen, sondern das gemeinsame Bekenntnis, dass Migration eine Verbundsaufgabe der internationalen Gemeinschaft ist. Explizit betont wird die staatliche Autonomie, die bei der Ausgestaltung des nationalen Migrationsrechts nicht angetastet wird.

Widerstand trotz Unverbindlichkeit

Dass es der Pakt im Schweizer Parlament so schwer hat, erstaunt nicht nur aufgrund des Schweizer Engagements bei der Entstehung. Auch die Ausgestaltung des Pakts stimmt mit den Prinzipien der Schweizer Migrationsaussenpolitik stark überein. So sind auch die Migrationspartnerschaften, welche die Schweiz mit mittlerweile acht Staaten unterhält, rechtlich nicht bindend und setzen auf einen bunten Strauss an Themen, bei denen der Dialog auf Augenhöhe im Zentrum steht. Der Austausch soll gegenseitiges Vertrauen schaffen, woraus dann konkrete Veränderungen entstehen können.

Trotz der Unverbindlichkeit des UNO-Migrationspaktes stösst dieser auf viel Skepsis. Zunächst wurde die Entscheidung mehrmals vertagt, ein Bericht über die Auswirkungen eingefordert und nun von der vorberatenden Kommission zur Ablehnung empfohlen. Die Begründung: Der UNO-Migrationspakt bringe keine Vorteile für die Schweiz.

Eine Chance zur internationalen Mitgestaltung

Nur weil das Abkommen unverbindlich ist, heisst es aber noch lange nicht, dass es keine konkreten Vorteile mit sich bringt. Ein internationaler Austausch zu einem so vielschichtigen und kontroversen Thema wie Migration braucht einen offenen Rahmen. Denn die damit verbundenen Erwartungen und Ziele unterscheiden sich je nachdem, ob ein Land mit starken Visabeschränkungen konfrontiert ist, Zuwanderung verhindern will, mit zu viel Abwanderung zu kämpfen hat oder dringend Arbeitskräfte benötigt. Das unterstreicht die Errungenschaft des Pakts, bei dem sich so viele Staaten zum gegenseitigen Zuhören, aber auch einer gemeinsamen Lösungsfindung bekannten.

An diesem Dialog teilzunehmen und ihn mitzugestalten, würde dem Selbstbild der Schweiz als Vermittlerin entsprechen. Sich hier nicht zu beteiligen und die Themensetzung anderen zu überlassen, ist hingegen eine Abkehr von einer aktiven Aussenpolitik. Es wäre aber auch eine verpasste Chance. Die Schweiz könnte sich zur globalen Zusammenarbeit im Migrationsbereich bekennen, ohne sich rechtlich zu verpflichten. Caritas Schweiz ist der festen Überzeugung, dass die Schweiz dem UNO-Migrationspakt beitreten soll.

Autor: Michael Egli, Leiter Fachstelle Migrationspolitik, Caritas Schweiz

Interviewanfragen und weitere Informationen

Medienstelle Deutschschweiz

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Livia Leykauf, Leiterin Abteilung Kommunikation; Niels Jost, Mediensprecher; Daria Jenni, Mediensprecherin (v. r. n. l.)

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