Bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege
Prekäre Arbeitsverhältnisse sind nicht erst seit der Corona-Pandemie ein Thema. Die Corona-Krise hat aber die Tendenz zu Arbeit auf Abruf, einer befristeten Anstellung oder einem Arbeitsvertrag zum Tiefstlohn akzentuiert. Eine der zahlenmässig grössten Branchen ist das Gesundheitswesen, wo jetzt eine Volksinitiative Gegensteuer für bessere Bedingungen in der Pflege geben will.
In der Pflege und Betreuung arbeiten in der Schweiz gegen 200 000 Personen. Die Anforderungen und Qualifikationen reichen dabei von einfachen Arbeiten in der Betreuung bis zur hochqualifizierten Tätigkeit in der Intensivpflege oder der Pflegeforschung. Im Zentrum stehen die Pflegefachpersonen und die Fachpersonen Gesundheit, welche das Rückgrat der professionellen Pflege darstellen. Darüber hinaus gibt es ein weites Feld von unbezahlter Sorgearbeit, kurz Care-Arbeit genannt.
Caritas begrüsst eine Verbesserung
Die Pflegeinitiative setzt bei der bezahlten Care-Arbeit an und verlangt eine «angemessene Abgeltung der Pflegeleistungen» und «anforderungsgerechte Arbeitsbedingungen für die in der Pflege tätigen Personen». Mit dieser Formulierung setzt sich die Initiative explizit auch für Personen ein, die als «Assistenz Gesundheit und Soziales» – früher hiess dies «Pflegeassistenz» – oder als SRK-Pflegehilfen im Einsatz sind.
Viele dieser Berufstätigen arbeiten in Langzeitinstitutionen wie Pflegeheimen oder der Spitex. Sie erbringen mit ihrer Arbeit einen unverzichtbaren Beitrag in der Pflege und Betreuung der älteren Bevölkerung. Und sie arbeiten zu tiefen Löhnen, die je nach Beschäftigungsgrad nicht ausreichen, um den Lebensunterhalt zu bestreiten.
Caritas setzt sich für faire und existenzsichernde Löhne ein, sie sind das beste Mittel gegen drohende Armut. Mit der Pflegeinitiative wird in einem Wirtschaftsbereich, in dem besonders viele Frauen tätig sind, eine Verbesserung angestossen. Frauen sind überdurchschnittlich oft in Branchen mit niedrigen Löhnen tätig, arbeiten häufig Teilzeit und haben deutlich mehr Schwierigkeiten, einen existenzsichernden Lohn zu erzielen als Männer. Sie sind darum auch vermehrt von Armut betroffen.
Pflege als «systemrelevanter Beruf»
Die Corona-Pandemie hat die Bedeutung der Pflegeberufe für unsere Gesellschaft unterstrichen. Es war gar von einem «systemrelevanten Beruf» die Rede. Die Realität ist freilich eine andere: Die Pflege gilt gemäss Gesetz nach wie vor als medizinischer Hilfsberuf. Dies bedeutet, dass Pflegefachpersonen Leistungen zu Lasten der Krankenversicherung nur ausführen dürfen, wenn diese ärztlich angeordnet sind.
Besonders stossend ist dies in der Spitex, wo qualifizierte Pflegefachpersonen bei den Klientinnen und Klienten den Pflegebedarf zwar ermitteln und auch unmittelbar abdecken, es im Nachhinein aber immer noch eine ärztliche Verordnung braucht, damit die Leistung von der Krankenversicherung gedeckt ist.
Der Arbeitsdruck im Gesundheitswesen hat in den letzten Jahren stark zugenommen. War früher eine Pflegefachperson auf einer Tagesschicht für rund vier Patientinnen und Patienten zuständig, sind es heute deren acht. Dies führt dazu, dass viele junge Berufstätige wieder aus dem Beruf aussteigen; aus Überforderung, mangelnder Wertschätzung oder Unvereinbarkeit von Arbeit und Familie. Man schätzt die durchschnittliche Verweildauer im Beruf auf rund 15 Jahre. Genaue Zahlen gibt es dazu keine.
Hingegen ist aus wissenschaftlichen Berechnungen bekannt, dass es bis im Jahr 2030 rund 65 000 neue Pflegefachpersonen braucht, um den Bedarf des Schweizer Gesundheitswesens zu decken. Ausgebildet wird aber nur rund die Hälfte. Auch dies ist ein Punkt, an dem die Pflegeinitiative ansetzt: Sie fordert eine Ausbildungsoffensive.
Gegenvorschlag greift zu kurz
Das Parlament hat bei den Beratungen zur Pflegeinitiative Handlungsbedarf erkannt und einen Gegenvorschlag erarbeitet. Von besseren Arbeitsbedingungen und Mindeststandards bei der Qualität der Patientenbetreuung wollte man aber nichts wissen. Am 28. November 2021 geht es also um Vieles: Um gerechte Arbeitsbedingungen, um eine bessere Qualität der Pflege, um eine Ausbildungsoffensive und um einen eigenverantwortlichen Bereich der Pflege.
Titelbild: Zwei Frauen sitzen am Tisch. © Fabian Biasio