Besuch bei unserem Partner Damnok Toek in Kambodscha
Heute Morgen fahren wir nach Poipet an die thailändische Grenze. Dort führt unser Projektpartner Damnok Toek ein Schutzhaus und eine Schule für von Menschenhandel betroffene und gefährdete Kinder. Dort finden auch Mädchen und Jungen Unterschlupf, die für ihren Lebensunterhalt arbeiten müssen.
Vor acht Jahren war ich schon einmal hier und traf die engagierten Lehrkräfte und Betreuungspersonen zum ersten Mal. An das einladend gestaltete Gelände und die Mitarbeitenden erinnere ich mich noch gut. Umso mehr freut mich der erneute Besuch und das Wiedersehen.
Die Kinder springen wild umher, als wir das Auto parkieren. Es ist kurz vor 8.30 Uhr und der Unterricht beginnt bald. Fein säuberlich lassen sie ihre Gummisandalen an der Treppe stehen und betreten das Schulzimmer barfuss. Auch die 10-jährige Mliss huscht hinein und setzt sich auf einen der Holzbänke.
Mliss hatte einen schweren Start ins Leben
Mliss (10) lebt seit 4 Jahren im Schutzhaus von Damnok Toek und ist eine der engagiertesten Schülerinnen. Ihr Start ins Leben hätte das nicht vermuten lassen.
Die Eltern des jungen Mädchens fanden in Kambodscha kein Einkommen und gingen mit ihrer Tochter nach Thailand. Das erste Mal als sie vier Jahre alt war. Als Erntehelferinnen und -helfer arbeiteten sie jeweils den ganzen Tag auf dem Feld – die kleine Mliss nahmen sie mit. Das Mädchen ging nie zur Schule. Nach der Erntesaison kam die Familie meistens zurück nach Kambodscha. Um die Ehe stand es nicht gut, so dass sich die Eltern schliesslich trennten. Mliss blieb beim Vater. Die Mutter verschwand und Mliss hat seit damals keinen Kontakt mehr zu ihr.
Mliss findet allein und verängstigt Zuflucht
Als Vater und Tochter wieder einmal die Grenze nach Thailand überquerten, wurden sie von der örtlichen Polizei aufgegriffen. Sie wollten ohne gültige Papiere einreisen. Illegale Migration ist jedoch strafbar und so steckten sie den Vater ins Gefängnis. Nur mit den Kleidern, die sie am Leib trug, wurde die damals 6-jährige Mliss allein nach Kambodscha zurückgeschickt.
Unser Projektpartner Damnok Toek arbeitet mit den Regierungsstellen zusammen, die unbegleitet zurückkehrende Kinder platzieren. Und so ist Mliss in die Obhut unseres Projektpartners gekommen, wo sie bis heute verweilt.
In einem geschützten Umfeld kann sie einfach Kind sein. Durch psychologische und medizinische Betreuung, bestärkende Freizeitaktivitäten und viel Zuwendung der Betreuungspersonen verarbeitet Mliss auch das Erlebte langsam und holt den fehlenden Schulstoff auf.
Mliss entscheidet sich für das Lernen
Damnok Toek versucht jeweils, Kontakt zu den erweiterten Familien der betreuten Kinder herzustellen und die Kinder schliesslich zurück in die Familie zu integrieren. Leider konnten sie in Mliss’ Fall niemanden ausfindig machen, weshalb sie schon Jahre in dem Zentrum lebt.
Ihr Vater suchte zwar nach Mliss als er aus dem Gefängnis entlassen wurde. Doch er kann ihr kein stabiles Umfeld bieten und migriert immer noch regelmässig für die Arbeit nach Thailand. Er liess seiner Tochter die freie Wahl, ob sie mit ihm kommen möchte. Mliss entschied sich doch für die Schule und blieb bei Damnok Toek.
«Hier bin ich glücklich und sicher. Ich kann zur Schule gehen. Das ist mir sehr wichtig. Ich möchte später, wenn ich gross bin, selbst Lehrerin werden.»Mliss
Damnok Toek verändert Leben nachhaltig
Was die Fürsorge im Schutzhaus und der Schulbesuch für Kinder bedeutet und wie richtungsweisend dies für ihr Leben sein kann, erfahre ich am Nachmittag. Ich sitze beim Eingangshäuschen und gehe meine Notizen durch. Da steht vor dem Tor plötzlich ein über beide Wangen strahlender junger Mann. Etwas an seiner Ausstrahlung und Körpersprache weckt meine Neugier.
Er spricht mit einer Lehrerin und sie umarmen einander. Auf den jungen Mann deutend frage ich den Wächter auf Englisch, wer das sei. Auf Khmer, der Landessprache, und mit Händen und Füssen erklärt er mir, dass es ein ehemaliger Schüler sei.
Serey Rumny (24) lebte von 2006-2009 im Schutzhaus von Damnok Toek. Seine Familie war sehr arm. Die alleinerziehende Mutter ging nach Thailand, um Geld zu verdienen. Sie wollte ihren Sohn nachholen und fragte einen Nachbarn, ob er ihn mitnehmen könne. Bei der Kontrolle am Grenzübergang erkannten die Beamten, dass die beiden nicht verwandt sind und hielten sie auf. Rumny wurde alleine nach Kambodscha zurückgebracht und kam so ins Schutzhaus.
Rumny zeigt, wie sich dank unserer Hilfe Leben verändern können
Die Zeit bei Damnok Toek prägten Rumnys Leben. Er entdeckte seine Freude am Lernen. Er erzählt mir, dass er weiter fleissig zur Schule ging, auch nachdem er die Organisation verliess und wieder bei seiner Mutter lebte. Seit 5 Jahren ist Rumny nun selbst Lehrer an einer öffentlichen Schule.
«Ich habe die Lehrpersonen und die Schule nie vergessen. Sie haben mein Leben verändert. Ich bin so dankbar.»Serey Rumny
erzählt Rumny und nennt mir die Namen der damaligen Lehrkräfte. Dann schwatzt und lacht er mit dem heutigen Direktor der Einrichtung, Long Sanrithy, der damals einer seiner Betreuer war.
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Titelbild: Mliss und ihre Freunde erfüllen ihre Tagesaufgaben und giessen die Pflanzen um das Schutzhaus. © Nicolas Honoré/Caritas Schweiz