Bewundernswertes Durchhaltevermögen junger Flüchtlinge in der Schweiz

«In einigen Jahren bin ich vielleicht Apothekerin»

Integration geschieht durch Arbeit. Doch wie findet man eine Stelle, wenn man mit 16 Jahren in die Schweiz kommt, nachdem man vor Gewalt geflohen ist und Familienmitglieder verloren hat? Eine solche Vorgeschichte hinterlässt tiefe Spuren. Im Kanton Freiburg hilft Caritas Schweiz jungen Menschen aus Syrien, Eritrea, dem Irak oder Afghanistan, ihren schulischen und sprachlichen Rückstand aufzuholen und einen Ausbildungsplatz zu finden. Es werden Kurse durchgeführt, Praktika organisiert und Partnerschaften mit Unternehmen eingegangen. Mit Erfolg. 

«Es ist nicht einfach», meint Aman*, 25 Jahre. Bei seiner Suche nach einem Berufspraktikum braucht er etwas Unterstützung. Er nutzt den Nachhilfeunterricht bei Caritas Schweiz in Freiburg, um seinen Lehrer um Rat zu fragen. Sie sind zu fünft im Klassenzimmer, vier junge Männer und eine junge Frau zwischen 18 und 25 Jahren, alle aus Eritrea. Heute haben sie Mathematikunterricht. Doch der Lehrer, ein Zivildienstleistender, unterstützt sie auch bei anderen Aufgaben.

Die jungen Menschen sind beharrlich und wissbegierig. Gleich im Anschluss an ihren Kurs bei der Caritas gehen sie zur Gewerblichen und Industriellen Berufsfachschule Freiburg (GIBS), wo sie weitere Mathematik-, Französisch- oder Geografiekurse besuchen. Sie wissen: Um auf eine Lehrstelle hoffen zu können, müssen sie das Niveau erreichen, das dem Abschluss der obligatorischen Schulpflicht in der Schweiz entspricht. 

Les cours de soutien à Fribourg sont donnés par un civiliste.
Ein Zivildienstleistender gibt die Stützkurse in Freiburg. © Fabian Biasio
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Les jeunes réfugiés apprennent avec beaucoup de ténacité.
Die jungen Flüchtlinge lernen mit viel Durchhaltevermögen. © Fabian Biasio
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Les cours de soutien à Fribourg sont donnés par un civiliste.
Ein Zivildienstleistender gibt die Stützkurse in Freiburg. © Fabian Biasio
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Les jeunes réfugiés apprennent avec beaucoup de ténacité.
Die jungen Flüchtlinge lernen mit viel Durchhaltevermögen. © Fabian Biasio
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Les cours de soutien à Fribourg sont donnés par un civiliste.
Ein Zivildienstleistender gibt die Stützkurse in Freiburg. © Fabian Biasio
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Les jeunes réfugiés apprennent avec beaucoup de ténacité.
Die jungen Flüchtlinge lernen mit viel Durchhaltevermögen. © Fabian Biasio
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Französischunterricht

Für diejenigen, die erst seit ein paar Monaten in der Schweiz sind, ist es noch zu früh für den Besuch der Kurse an der GIBS. In Matran, wo Caritas Schweiz im März 2018 ein Haus der Bildung und Integration eröffnet hat, werden deshalb Kurse angeboten, in denen sich die jungen Menschen das nötige Niveau erarbeiten. Von Montag bis Donnerstag unterrichtet Aimé Dali die 16- bis 24-Jährigen in Französisch und Mathematik. «Erste Priorität haben bei uns unbegleitete Minderjährige», sagt der Lehrer. «Das Problem ist, dass sie oft nicht gelernt haben, zu lernen. Sie müssen zunächst verstehen, wie man sich Wissen aneignet.»

Es herrscht eifrige Lernstimmung, das Französisch ist noch stockend und die Niveaus sehr unterschiedlich. Die jungen Männer sind in der Mehrzahl. Von allen Flüchtlingen zwischen 16 und 25 Jahren, die Caritas Schweiz betreut, sind nur ein Drittel weiblich. 

Les niveaux en français et en mathématiques sont très divers.
Die Niveaus in Französisch und Mathematik sind sehr unterschiedlich. © Fabian Biasio
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Seul un tiers des jeunes réfugiés qui arrivent en Suisse sont des jeunes filles.
Nur ein Drittel der jungen Flüchtlinge in der Schweiz sind weiblich. © Fabian Biasio
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La Maison de formation et d’intégration à Matran héberge et forme de jeunes réfugiés.
Das Haus der Bildung und Integration in Matran beherbergt junge Flüchtlinge und bildet sie aus. © Fabian Biasio
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Les niveaux en français et en mathématiques sont très divers.
Die Niveaus in Französisch und Mathematik sind sehr unterschiedlich. © Fabian Biasio
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Seul un tiers des jeunes réfugiés qui arrivent en Suisse sont des jeunes filles.
Nur ein Drittel der jungen Flüchtlinge in der Schweiz sind weiblich. © Fabian Biasio
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La Maison de formation et d’intégration à Matran héberge et forme de jeunes réfugiés.
Das Haus der Bildung und Integration in Matran beherbergt junge Flüchtlinge und bildet sie aus. © Fabian Biasio
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Les niveaux en français et en mathématiques sont très divers.
Die Niveaus in Französisch und Mathematik sind sehr unterschiedlich. © Fabian Biasio
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Seul un tiers des jeunes réfugiés qui arrivent en Suisse sont des jeunes filles.
Nur ein Drittel der jungen Flüchtlinge in der Schweiz sind weiblich. © Fabian Biasio
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La Maison de formation et d’intégration à Matran héberge et forme de jeunes réfugiés.
Das Haus der Bildung und Integration in Matran beherbergt junge Flüchtlinge und bildet sie aus. © Fabian Biasio
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Ihre Leidenschaft ist die Pharmazie

Lava Khalil hat die schwierige Aufgabe, Französisch zu lernen, erfolgreich gemeistert. Die heute 21-Jährige war im zweiten Jahr am Gymnasium, als sie von einem Tag auf den nächsten alles hinter sich lassen musste, weil der Krieg in ihr kurdisches Dorf in Syrien kam. «Wir haben alles zurückgelassen, nichts mitgenommen», erzählt die junge Frau, die zusammen mit ihren Eltern, ihren Brüdern und ihrer Schwester geflohen ist. «Wir flüchteten über die türkische Grenze bis nach Istanbul, wo wir sieben Monate lang blieben.» Studieren war dort kein Thema, die ganze Familie musste arbeiten, um zu überleben. 2014 schaffen sie es endlich, in die Schweiz zu gelangen.

«Am Anfang war es nicht einfach, besonders für meine Eltern», erzählt Lava. In Syrien arbeitete ihr Vater für eine Erdölgesellschaft, die Mutter war Lehrerin. Lava und ihre Familie werden von der Caritas begleitet und wohnen in Romont. Sie wurden als Flüchtlinge anerkannt. «Es ist einfacher, seit wir Französisch können. Unsere Nachbarn sind unsere Freunde geworden», freut sich Lava.

«In Syrien wollte ich an der Uni Pharmazie studieren», fährt sie fort. Ihre Begeisterung liess sie mit grosser Selbstverständlichkeit auf eigene Faust eine Lehrstelle in dieser Branche suchen. Nach einem dreitägigen Praktikum in einer Apotheke in Matran wurde Lava ausgewählt. «Das Praktikum hat mir sehr gefallen», schwärmt Lava. Der Vertrag ist unterzeichnet: Im August wird sie ihre Lehre als Apothekenhelferin antreten.

«In ein paar Jahren bin ich vielleicht Apothekerin, habe Kinder», malt sich Lava aus. «Aber das Wichtigste ist, dass ich meine Familie habe und mit ihr zusammensein kann.»

Lava hat ihre Lehrstelle als Apothekenhelferin selbst gefunden. Im August fängt sie an. © Fabian Biasio

Eine Ausbildung zum Mechaniker

Yohannes*, 22 Jahre, aus Eritrea, kam 2012 mit seiner Mutter und seiner Schwester nach Freiburg. Er lernte Französisch und absolvierte mehrere Praktika. Da er sich sehr für Automechanik interessiert, kontaktierte Caritas Schweiz die Besitzer einer grossen Werkstatt der Region Freiburg. «Er ist zum Schnuppern gekommen und wir haben gleich gesehen, dass er motiviert ist», erinnern sich Corinne und Jean-François Lacilla, seine heutigen Chefs. Yohannes wurde eingestellt für eine Ausbildung zum Automobil-Assistenten mit eidgenössischem Berufsattest (EBA), die er inzwischen fast abgeschlossen hat. Dank seiner hervorragenden Leistungen wird er mit der Ausbildung als Automobil-Fachmann mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ) weitermachen.

Corinne Lacilla ist begeistert: «Yohannes ist höflich und pünktlich. Anfangs sprach er sehr wenig, doch er hat sich sehr gut entwickelt.» Mittlerweile ist Yohannes gut in sein berufliches Umfeld integriert und versteht sich bestens mit seinen Kollegen. Er nimmt an den Teamausflügen teil und konnte so neue Erfahrungen sammeln: «Mit uns hat er Raclette und Fondue chinoise entdeckt. Das war toll», erinnern sich seine Vorgesetzten.

*Namen geändert

Hier erzählt Yohannes seine Geschichte:

Reportage: Vérène Morisod

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Titelbild: © Fabian Biasio