Das schönste Kleid – das es nie gab
Die Lebensbedingungen im syrischen Aleppo sind schwierig. Das Land findet seit fast 13 Jahren keinen Frieden. Die 11-jährige Amira schafft sich ihre heile Welt: in der Schule, mit ihren Freundinnen und in ihrer blühenden Fantasie.
Amira liebt es, in die Schule zu gehen. Dafür putzt sie sich jeden Morgen heraus und bittet ihre Mutter, ihr einen Zopf zu flechten. Das Mädchen lauscht der Lehrerin, saugt die Informationen im Unterricht neugierig auf und meldet sich eifrig. Die 11-Jährige will später selbst Lehrerin werden und versucht zuhause, ihren Geschwistern ihr Wissen weiterzugeben – mit mässigem Erfolg, wie sie zugibt. «Vielleicht bin ich zu streng mit ihnen», sagt sie selbstkritisch.
Bildung ist Gold wert
Für Amiras Eltern Maram und Hussein ist eine «gute Ausbildung» sehr wichtig. Ihre fünf Kinder sollen mindestens die obligatorische Schule besuchen, damit die drei Jungen und zwei Mädchen später besser zum Lebensunterhalt der Familie beitragen können. «Wir unterstützen die Kinder jetzt, damit sie später uns unterstützen», erklärt Amiras Mutter Maram nüchtern.
«Wir unterstützen die Kinder jetzt, damit sie später uns unterstützen.»MaramMutter von Amira
Amira ist eine gute Schülerin, nur in Englisch braucht sie etwas Unterstützung. Daher sind die Eltern dankbar, dass ihre Tochter ausgewählt wurde, am Sommerunterricht der Caritas teilzunehmen. Auf dem Stundenplan stehen neben sportlichen Aktivitäten Mathe, Arabisch und Englisch. Auch Amira ist glücklich, weil sie dank Caritas so auch in den Sommerferien in den Unterricht kann. Kein Wunder, nennen ihre Geschwister sie eine Streberin.
Leben von der Hand in den Mund
Die Familie wohnt in einem schlichten Haus in Jabal Bedro, einem besonders armen Stadtteil von Aleppo. Miete müssen sie nicht bezahlen, weil das Gebäude einem Verwandten gehört. «Aber auch so ist es schwierig, über die Runden zu kommen. Alles ist so teuer geworden», erklärt Hussein. Der 55-Jährige nimmt jeden Gelegenheitsjob an, den er finden kann: Mal am Bau, mal als Fahrer, mal im Steinbruch. Viel verdient er damit nicht, denn die syrische Wirtschaft liegt wegen des Krieges, der Sanktionen und der galoppierenden Inflation am Boden.
Amiras Mutter Maram bessert das Familienbudget mit Näharbeiten auf. «Im Sommer stelle ich die Tretmaschine vors Haus, nutze das Tageslicht zum Nähen. Im Winter muss ich drinnen arbeiten. Das geht aber nur, wenn wir Geld für Strom haben, um eine Lampe anzuzünden», gesteht die 38-Jährige.
Die kleine Amira ist ganz begeistert von den Nähkünsten ihrer Mutter. Mit leuchtenden Augen beschreibt sie das rosarote Kleid, das sie für ihre Puppe bekommen hat. Hinten lang, vorne kurz. Auf Nachfragen stellt sich heraus, dass dieses wunderschöne Kleid erst in ihrer Vorstellung existiert. Aber dieses imaginäre Kleid ist zu schön, um nicht wahr sein zu können.
Syrien findet seit bald 13 Jahren keinen Frieden. Ein Grossteil der Bevölkerung ist bitterarm. Caritas Schweiz unterstützt mit ihren Projekten die kriegsgeplagten Menschen, ein etwas besseres Leben zu führen.
Zum Beispiel mit Stützunterricht für Kinder aus besonders benachteiligten Familien. Weit über 1500 Mädchen und Jungen werden besonders in Mathe, Englisch und Arabisch gefördert. Ihre Eltern erhalten Bargeld, um notwendige Anschaffungen zu machen, seien es Lebensmittel, Einrichtungsgegenstände oder Medikamente.
- Mit 75 Franken kann eine Familie einen Monat lang ihre Grundbedürfnisse decken.
- Mit 270 Franken können 10 Kinder einen Monat lang an Förderkursen teilnehmen.
- Mit 450 Franken kann ein Klassenzimmer mit Fenstern ausgestattet werden, sodass die Kinder vor Wind und Wetter geschützt sind.
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Titelbild: Amira geht gern zur Schule und besucht den Sommerunterricht der Caritas. Ihre Eltern zählen auf sie. © Hasan Belal