Den Ressourcenfluch bekämpfen
Der afrikanische Kontinent ist reich an Gold. Die Bevölkerung profitiert aber kaum von diesem Reichtum, weil ein beträchtlicher Teil des Goldes den Kontinent über illegale Wege verlässt. Staatliche Kontrolle und damit eine angemessene Besteuerung fehlen, insbesondere beim handwerklichen Kleinbergbau. Die Goldförderung hat darüber hinaus vielfach auch massive negative Auswirkungen auf die Menschen und die Umwelt. Ein Caritas-Projekt in Burkina Faso geht zusammen mit den Beteiligten vor Ort diese Herausforderungen an.
Viele afrikanische Länder verfügen über industrielle Goldminen, bei denen meist multinationale Unternehmen mit grossem Maschineneinsatz und wenig Arbeitskräften das Edelmetall aus dem Boden holen. Daneben spielt aber in den meisten afrikanischen Ländern auch der handwerkliche Kleinbergbau eine bedeutende Rolle. 2022 stammte mehr als die Hälfte des auf dem Kontinent geförderten Goldes aus diesem Sektor. Kleinschürfer bauen das Edelmetall mit einfachen Werkzeugen und Maschinen ab. Oftmals setzen sie dabei hochgiftiges Quecksilber ein. Gravierende Umwelt- und Gesundheitsauswirkungen sind eine Folge davon. Kinderarbeit und andere Menschenrechtsverletzungen sind im Sektor weit verbreitet.
In Konfliktregionen stellt der artisanale Goldsektor eine Finanzierungsquelle für bewaffnete Gruppierungen dar. Dschihadistische Gruppen beuten die Ressourcen aus, um ihre Aktivitäten zu finanzieren. Zudem verfügen die Kleinschürfer oft über keine Abbaulizenz. Staatliche Kontrollen fehlen, was unter anderem dazu führt, dass den betroffenen Ländern grosse Summen an Steuereinnahmen entgehen. Der Goldsektor ist deshalb besonders anfällig für sogenannte illegitime Finanzflüsse (illicit financial flows), aufgrund deren die betroffenen Länder enorme finanzielle Einbussen erleiden.
Neue Studie zeigt illegitimen Goldflüsse auf
Die Organisation Swissaid hat im Mai einen neuen Bericht publiziert, der diese illegitimen Goldflüsse im Detail nachzeichnet. Caritas Schweiz hat bei der Recherche zum Bericht mitgearbeitet. Der Bericht kommt zum Schluss, dass im Jahr 2022 mehr als 435 Tonnen Gold aus Afrika geschmuggelt wurden. Das entspricht mehr als einer Tonne Gold jeden Tag. Nimmt man den Goldpreis von Anfang Mai 2024 als Referenz, so hatte dieses geschmuggelte Gold einen Wert von mehr als 30 Milliarden US-Dollar. Dies entspricht rund zwei Drittel aller von ausländischen Unternehmen auf dem afrikanischen Kontinent getätigten Direktinvestitionen oder mehr als einem Drittel aller Entwicklungsgelder, welche der gesamte Kontinent im Jahr 2022 erhielt.
Die Studie von Swissaid zeigt minutiös auf, wie viel Gold in allen 54 afrikanischen Ländern in den vergangenen zehn Jahren produziert, importiert und exportiert wird. Durch den Abgleich von unzähligen Statistiken und verschiedensten Quellen konnten die Studienautoren aufzeigen, welche Mengen an Gold in welchen Ländern bei der Produktion und beim Export nicht deklariert werden. Damit erhielten sie ein klares Bild davon, wie die illegalen Goldflüsse zwischen den afrikanischen Ländern verlaufen und in welche Länder ausserhalb des Kontinentes das Edelmetall auf unerlaubte Weise exportiert wird. Sie kamen zum Schluss, dass sich der Goldschmuggel in Afrika zwischen 2012 und 2022 mehr als verdoppelt hat.
Der allergrösste Teil des Goldes, das den Kontinent auf illegale Weise verlässt, wird in die Vereinigten Arabischen Emiraten gebracht. Seit Jahren ist bekannt, dass Dubai der wichtigste Handelsplatz für geschmuggeltes Gold aus Afrika ist. Die Studie von Swissaid hat nun das Ausmass dieses Schmuggels im Detail belegt. Von Dubai aus wird das Gold in Länder wie die Schweiz, Indien, die Türkei oder Hongkong weiterexportiert. Auf diese Weise gelangt das Edelmettal dann in die globalen Lieferketten.
Wichtiger Wirtschaftszweig
Der artisanale Kleinbergbau bringt zwar extrem negative Auswirkungen für die Menschen und die Umwelt mit sich. Gleichzeitig ist er in vielen Regionen des afrikanischen Kontinentes jedoch auch eine der wenigen Einkommensmöglichkeiten für die Menschen. Die Autoren der Swissaid-Studie rufen deshalb dazu auf, den Sektor und vor allem die Menschen, die in den Minen tätig sind, nicht zu kriminalisieren, sondern mit ihnen zusammenzuarbeiten, den Sektor zu formalisieren und damit sicherere Abbau- und Arbeitsbedingungen zu schaffen.
Genau diesen Ansatz verfolgt Caritas Schweiz mit einem Projekt zur Förderung eines verantwortungsvolleren Goldabbaus, das im Auftrag der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) in Burkina Faso umgesetzt wird. In Burkina Faso zeigen sich die Herausforderungen des handwerklichen Kleinbergbaus exemplarisch. Das westafrikanische Land verfügt zwar auch über einen bedeutenden industriellen Goldsektor. Gleichzeitig gibt es in Burkina Faso an die 800 Abbaustätten, in denen Kleinschürfer nach Gold suchen. Die meisten von ihnen verfügen über keine staatliche Abbaulizenz. Schätzungsweise 1,2 Millionen Menschen sind von den Einnahmen aus dieser Tätigkeit abhängig. Damit ist der artisanale Goldsektor der bedeutendste Wirtschaftssektor im ländlichen Raum in Burkina Faso. Die derzeit angewendeten Abbaumethoden verschmutzen jedoch die Umwelt, schaden der Gesundheit der Menschen, verursachen gesellschaftliche Konflikte und verletzen die Menschenrechte. Die bestehenden staatlichen Regulierungen und Gesetze werden weitestgehend ausser Acht gelassen. Steuern kann der burkinische Staat somit praktisch keine erheben.
Instabilität und Konflikte
Von der zentralen Sahelzone und in Burkina Faso im Besonderen ist inzwischen bekannt, dass dschihadistische Gruppen die sozioökonomische Situation der Bevölkerung ausnutzen, um ihre Macht zu stärken. Eine ihrer Strategien besteht darin, artisanale Goldminen als Haupthebel für Rekrutierung und Herrschaft zu nutzen. Durch den Zugang zu den Einkünften aus diesen Minen finanzieren sie nicht nur ihre Aktivitäten, sondern sichern sich auch die – manchmal erzwungene – Unterstützung marginalisierter und verzweifelter Gemeinschaften, was die Instabilität und den Konflikt in der Region verschärft.
Wie andere afrikanische Staaten versuchen auch die Behörden in Burkina Faso den artisanalen Kleinbergbau zu formalisieren und so die negativen Auswirkungen einzudämmen, ohne gleichzeitig die Menschen vor Ort um ihr Einkommen zu bringen. Hier setzt das Projekt von der DEZA und von Caritas Schweiz an, welches seit 2022 in Zusammenarbeit mit anderen NGOs sowie mit den burkinischen Behörden umgesetzt wird. Ziel ist es, einen verantwortungsvolleren Abbau von Gold in den Minen zu fördern, damit die Akteure in der Goldproduktionskette bessere Dienstleistungen und Arbeitsbedingungen erhalten, durch Steuerzahlungen zur lokalen Entwicklung beitragen und sich für die Verringerung der negativen Auswirkungen des Sektors einsetzen.
«Die Kleinschürfer stehen vor immensen Herausforderungen. Obwohl die Schliessung einiger Minen durch die Regierung zusätzliche Hindernisse geschaffen hat, ist die Entwicklung, die wir beobachten, ermutigend.»Fabrizio De Georgio Ferrari TrecateLandesdirektor von Caritas Schweiz in Burkina Faso
Von Mai 2023 bis April 2024 hat das Projekt beachtliche Fortschritte erzielt und dies trotz diverser sicherheitspolitischer, regulatorischer und institutioneller Herausforderungen. Es hat die Zusammenarbeit zwischen den lokalen Behörden und den Kleinschürfern gestärkt, um eine transparentere Verwaltung der Ressourcen zu erreichen. Fast 1500 Menschen wurden in umwelt- und menschenrechtsfreundlichen Bergbaupraktiken geschult, wodurch die Einführung von Methoden ohne giftige Chemikalien gefördert wurde. Das Projekt organisiert zudem die Kleinschürfer in Kooperativen und unterstützt die Gemeinden bei der Entwicklung von inklusiven Chartas und der Einführung von quecksilberfreien Abbaumethoden. Gleichzeitig fördert das Projekt die Menschenrechte, insbesondere von Frauen und Kindern, durch ihre wirtschaftliche Stärkung und die Einrichtung von Kindertagesstätten in den Bergbaugebieten.
Erzielte Erfolge des Projektes
Das Projekt von Caritas Schweiz zur Förderung des verantwortungsvollen Goldabbaus findet vor dem Hintergrund einer zunehmend prekären Sicherheitslage in Burkina Faso statt, die den Zugang zu verschiedenen artisanalen Minen einschränkt. «Trotz dieser Herausforderungen haben wir unsere Anstrengungen auf das Engagement und die Aneignung des Projekts durch alle Beteiligten konzentriert, einschliesslich der lokalen Behörden, der NGOs und der Kleinschürfer», erklärt Fabrizio de Georgio Ferrari Trecate, Landesdirektor von Caritas Schweiz in Burkina Faso. Er fügt hinzu: «Obwohl die Schliessung einiger Minen durch die Regierung zusätzliche Hindernisse geschaffen hat, ist die Entwicklung, die wir beobachten, ermutigend. Die Zielgruppen zeigen ein besseres Verständnis und eine grössere Eigenverantwortung für die Herausforderungen, die mit dem verantwortungsvollen Umgang mit handwerklich hergestelltem Gold verbunden sind, was grösstenteils auf die Sensibilisierungs- und Schulungsmassnahmen zurückzuführen ist. Darüber hinaus zeigen sich die lokalen Behörden offener und engagierter, indem sie die Akteure des Klein- und Kleinstbergbaus aktiv in die Entscheidungsfindung einbeziehen.»
Angela Lindt
Leiterin Fachstelle Entwicklungs- und Klimapolitik+41 41 419 23 95alindt@caritas.ch
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Titelbild: Goldwaschen in Burkina Faso © Bénédicte Kinda