Ernte im Griff
Bauernfamilien in Kambodscha ringen seit jeher mit der Wasserversorgung. Die Reisernte reicht deshalb nicht als Lebensgrundlage. Kaum hat ein erstes Caritas-Projekt das Wasserproblem teils gelöst, stellt die Klimakrise die nächste Herausforderung.
Die Sonne scheint auf die Reisfelder in Mongkolbori und lässt das Grün der Pflanzen leuchten. Bald färben sich die Halme gelblich und dann ist es Zeit, den Reis zu ernten. Umringt von dieser üppigen Farbenpracht öffnet die Bäuerin Savoeuy Phon (52) das eiserne Tor zu ihrem Garten: Papaya, Guava, Cassava, Gurken, Kokospalmen, Bananen, Zitronengras und viele weitere Sorten spriessen aus dem fruchtbaren Boden. Alles hat seine Ordnung in diesem kleinen Paradies, das ist Savoeuy wichtig. Früher baute Savoeuy, wie viele Kleinbäuerinnen in Kambodscha, ausschliesslich Reis an. Wegen der schlechten Wasserversorgung konnten sie aber nicht genug produzieren, um davon zu leben. Das Problem war, dass sie das Wasser während der Regenzeiten nicht richtig speichern konnten. So reichte es nur für eine Ernte pro Jahr – zu wenig zum Überleben.
Die Familie Phon musste sich nach weiteren Einnahmequellen umsehen. Und die fanden sie, wie viele Menschen in Kambodscha, im angrenzenden Thailand. Savoeuy und ihr Mann blicken auf lange Jahre der Arbeitsmigration zurück. Ihre Kinder mussten sie bei den Grosseltern zurücklassen: «Es war sehr schwierig für mich, meine Kinder zu verlassen. Doch wir waren als Erntehelfer den ganzen Tag auf den Feldern und da ist kein Platz für Kinder», erinnert sich Savoeuy. Glücklicherweise änderte sich ihre Lebenssituation vor ein paar Jahren und sie konnten wieder dauerhaft in die Heimat zurückkehren. Den Ausschlag gab das erste von zwei Projekten von Caritas Schweiz in der Region.
Wie eine zweite Reisernte möglich wurde
Das Projektteam der Caritas suchte gemeinsam mit dem örtlichen Wasserkomitee nach besseren Bewässerungsmöglichkeiten. Auch Savoeuys Ehemann Savath war mit von der Partie. Strahlend erzählt er vom Ergebnis:
«Dank des Projekts konnten wir den Hauptwasserkanal in Stand setzen und weitere kleine Kanäle von diesem ableiten, damit noch mehr Felder mit Wasser versorgt werden können.»Savath
Heute erntet Familie Phon zweimal im Jahr Reis.
Nebst neuer Wasserinfrastruktur lernten die Bauernfamilien auch, alternative Einnahmequellen zu nutzen: «Früher konzentrierten wir uns ausschliesslich auf den Reisanbau. Im Rahmen des Caritas-Projekts nahmen wir an Schulungen zu Gemüseanbau und Kleintierzucht teil», erzählt Savath weiter.
Den Gewinn aus der zweiten Ernte haben sie in eine Hühnerzucht und in den Gartentraum von Savoeuy investiert. Neben dem Garten liegt zudem ein Wasserauffangbecken, in dem Fische leben. Savath wirft immer mal wieder das Netz aus für ein leckeres Abendessen. So kann sich die Familie heute wieder selbst versorgen und ist nicht mehr gezwungen, als Tagelöhner die Heimat zu verlassen – eigentlich.
Jetzt bringt die Klimakrise die nächste Herausforderung
Kaum hat sich Familie Phon wieder in der Heimat eingelebt, macht sich die Klimakrise bemerkbar und bedroht den erzielten Fortschritt in der Region: «Zum Ende der letzten drei Regenzeiten war der Niederschlag jeweils so heftig, dass die Kanäle übergelaufen sind. Wir mussten alle Schleusen öffnen und das ganze Wasser auf die Reisfelder abfliessen lassen. Sonst hätten wir schlimme Überschwemmungen der Dörfer riskiert», berichtet Set Runn, ein Vorstandsmitglied eines Wasserkomitees. Die erste Aussaat wurde weggeschwemmt und es blieb kaum mehr Wasser übrig für den zweiten Anbau. «Wenn das Wetter weiter verrücktspielt, reichen unsere Erträge bald wieder nicht mehr zum Leben», sagt Savoeuy nachdenklich.
Überschwemmungen in der Regensaison und längere Trockenphasen gab es auch in der Vergangenheit, doch der Starkregen am Ende der Saison ist neu. Und hier setzt wiederum das zweite Projekt an, das Caritas Schweiz soeben in der Region gestartet hat.
Partizipativer Lösungsansatz
Die Wasserverteilung ist allein mit der verbesserten Infrastruktur nicht abschliessend gelöst. Das Problem verschärft sich mit jedem neuen Starkregen. Was es langfristig braucht, ist ein gemeinsames Wassermanagement. Die einzelnen Flussläufe versorgen jeweils mehrere hundert Familien und gehen durch verschiedene Bezirke. Daher ist es notwendig, dass die Wasserverteilung zusammen erarbeitet wird. Ausserdem sollen die Bäuerinnen und Bauern in der ganzen Region Alternativen zum Reis anpflanzen.
Das neue Projekt wird zusammen mit HEKS, dem Hilfswerk der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz, realisiert und verfolgt einen partizipativen Ansatz: Die Bauernfamilien werden mit ihren Wasserkomitees zusammen mit den Behörden an einen Tisch gebracht. Dort legen sie gemeinsam die Verteilung des Wassers fest und klären Alternativen zum Reisanbau ab – mit verbindlichen Vereinbarungen. Als strategisches Werkzeug steht ihnen dabei die sogenannte IM-Toolbox zur Verfügung. Mit diesem systematischen Lösungsansatz werden Bauernfamilien dabei unterstützt, trotz Klimakrise ihre Ernährung zu sichern.
Das oberste Ziel von Caritas Schweiz ist es, Armut zu bekämpfen. Das hat direkt mit der Klimakrise zu tun, denn diese bringt Millionen von Menschen weltweit in Not. In den Projektländern ist unübersehbar, wie sich Hunger und Armut verstärken. Tropische Stürme und andere Extremwetterereignisse häufen sich, anhaltende Dürren entziehen den Menschen in dramatischer Weise die Lebensgrundlage und treiben sie in die Flucht. Das ist ungerecht, denn die Menschen im globalen Süden tragen am wenigsten zur Klimaerwärmung bei. Im Gegensatz dazu verursacht die Schweiz überdurchschnittlich viele Emissionen. Deshalb übernimmt Caritas Schweiz Verantwortung und führt weltweit Klimaprojekte durch, die den Menschen ins Zentrum stellen und die Armut bekämpfen. Sie tragen dazu bei, dass sich betroffene Bevölkerungsgruppen besser an klimatische Veränderungen anpassen können, zeigen Lösungen für die Zukunft auf und tragen so zur Klimagerechtigkeit bei.
Im Inland setzt sich die Caritas dafür ein, dass die Schweiz einen gerechten Anteil an internationaler Klimafinanzierung leistet und Entschädigungsbeiträge an Entwicklungsländer zahlt. Gleichzeitig muss die Schweiz ihren eigenen CO2-Ausstoss senken und sich von fossilen Treib- und Brennstoffen verabschieden. Und das, ohne Armutsbetroffene im Inland zu belasten, denn ein sozialverträglicher Klimaschutz ist möglich.
Caritas Schweiz hat die Kampagne «Ja zu einer Welt ohne Armut» lanciert. Mehr Geschichten und Eindrücke aus Kambodscha finden Sie unter www.caritas.ch/ja
Weitere Informationen
Titelbild: Früher baute Savoeuy Phon nur Reis an, doch das reichte nicht zum Leben. Heute hat sie Alternativen, aber auch wieder neue Herausforderungen. © Nicolas Honoré