Erste Zwischenbilanz fällt ernüchternd aus
Die Überbrückungsleistungen sollen verhindern, dass ältere Arbeitslose kurz vor der Pensionierung in die Sozialhilfe abrutschen. Eine Massnahme, welche die Caritas begrüsst.
Doch erste Zahlen des Bundes zeigen: Vom angestrebten Ziel ist man noch weit entfernt.
Die Überbrückungsleistungen (ÜL) für ältere Arbeitslose sind im Juli 2021 in Kraft getreten. Nun zieht das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) eine erste Zwischenbilanz. Diese zeigt: Gerade mal 671 Personen haben tatsächlich ÜL erhalten von der Einführung bis zum Stichtag der Erhebung im Dezember 2022. Das ist nur jede achte ausgesteuerte Person (zwölf Prozent), weit entfernt also von den 36 Prozent, von denen das Parlament ausgegangen war, als es das Gesetz verabschiedete. Das BSV selbst räumt ein, dass die bisherigen Zahlen deutlich unter den prognostizierten Werten liegen.
Erklären lässt sich das einerseits durch die temporären staatlichen Massnahmen während der Covid-Pandemie: Die Anspruchsdauer für Arbeitslosentaggelder wurde verlängert, weshalb 2021 kurzzeitig weniger Personen ausgesteuert wurden. Erschwerend kommt aber dazu, dass die Überbrückungsleistungen als neue Sozialversicherung noch wenig bekannt sind. Dafür in Frage kommende Personen werden weder vom Bund noch von den Kantonen automatisch über ihr Anrecht auf ÜL informiert.
Auch die formellen Hürden sind hoch. So muss jede Person ein individuelles Gesuch einreichen und die Prüfung abwarten. Zuständig dafür sind in der Regel die kantonalen Ausgleichskassen, doch auch hier gibt es Ausnahmen (Kantone BS, GE, ZH). Die Sozialberatungen der Caritas beobachten dementsprechend grosse Unterschiede: Ob Personen von ihrem möglichen Anrecht auf ÜL erfahren, hängt mitunter davon ab, wie gut sie vom zuständigen Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum informiert und beraten werden. Entsprechend liegt der Anteil der Gesuche tief.
Zwei Drittel der Gesuche abgelehnt
Die Zahlen des BSV zeigen aber auch: Von den wenigen eingereichten Gesuchen wurden knapp zwei Drittel abgelehnt. Es stellt sich deshalb die Frage, ob die gewählten Kriterien angemessen sind. Im Vergleich zum ursprünglichen Vorschlag des Bundesrats hat das Parlament den Kreis der ÜL-Beziehenden deutlich verkleinert. Der Zugang zur ÜL wurde also bewusst restriktiver ausgestaltet.
Zu restriktiv, wie die bisherigen Erfahrungen aus den Caritas-Sozialberatungen zeigen. Mögliche Stolpersteine auf dem Weg zu Überbrückungsleistungen gibt es viele. Einer der am häufigsten genannten Ablehnungsgründe ist die Vermögensobergrenze (50ʼ000 Franken für Alleinstehende). Die AHV-Versicherungsdauer von 20 Jahren oder das jährliche Mindesteinkommen von über 22ʼ000 Franken sind weitere Hürden, besonders für Personen mit Erwerbsunterbrüchen und tiefen Einkommen.
Die Kriterien, ab wann eine arbeitslose Person Anspruch auf Überbrückungsleistungen hat, sind komplex. Selbst Fachpersonen haben Schwierigkeiten zu überblicken, ob jemand anspruchsberechtigt ist und wie hoch der mögliche ÜL-Betrag ausfällt.
Caritas Schweiz sieht diese erste Zwischenbilanz der Überbrückungsleistungen deshalb kritisch. Bisher wird diese neue Art der Sozialversicherung kaum dem Anspruch gerecht, ältere Arbeitslose gut abzusichern. Erstens muss dringend geklärt werden, wieso bisher rund drei Viertel aller älteren, ausgesteuerten Arbeitslosen gar keine Überbrückungsleistungen beantragen. Das BSV geht für 2023 und 2024 von einem positiven Trend bei den ÜL-Beziehenden aus. Bleibt die Zahl der tatsächlichen ÜL-Bezüge aber auch in den kommenden Jahren weiterhin deutlich unter den prognostizierten Werten, so braucht es dringend Massnahmen, um die Zielgruppe besser zu erreichen.
Zweitens müssen die Kriterien überdacht werden. Wenn zwei Drittel der eingereichten Gesuche abgelehnt werden, sind die Anspruchsvoraussetzungen offensichtlich zu restriktiv. Deshalb muss vertieft geprüft werden, welche Kriterien besonders restriktiv sind und wie der Zugang zur ÜL bedarfsgerecht gelockert werden kann. Nur so kann diese Sozialversicherung ihr Ziel erfüllen und älteren, ausgesteuerten Menschen eine wirksame Existenzsicherung bieten.
Geschrieben von Miriam Häfliger, Fachstelle Sozialpolitik, Caritas Schweiz
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Titelbild: © Conradin Frei