Globale Armut wächst, Beitrag der Schweiz schrumpft
Gemessen an ihrer Wirtschaftskraft leistet die Schweiz immer weniger Entwicklungszusammenarbeit in armen Ländern. Damit öffnet sich eine Schere zum wachsenden Bedarf an humanitärer Hilfe, denn viele Länder des Globalen Südens wie etwa Äthiopien leiden unter den Folgen einer Mehrfachkrise. Caritas kritisiert diese Entwicklung in einem neuen Positionspapier.
Die Schweiz hat 2022 nur noch 0,4 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit im Ausland ausgegeben, wie eine kürzlich publizierte Statistik der OECD zeigt. Das ist deutlich weniger als im Vorjahr. Sie verfehlt damit das international vereinbarte Ziel von 0,7 Prozent bei Weitem. Die Schweiz wird ihre Hilfe für die Ukraine weiter ausbauen. Das ist richtig, geht aber zulasten der Beiträge, die für Projekte der Armutsbekämpfung in den Ländern des Globalen Südens zur Verfügung stehen.
Diese Entwicklung kommt zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Aufgrund von mehrfachen Krisen nimmt die Armut weltweit seit Jahrzehnten erstmals wieder zu. Die komplexen Ursachen dafür lassen sich am Beispiel von Äthiopien erkennen. Noch vor kurzer Zeit war das aufstrebende Land ein Hoffnungsträger für das Ziel der UNO, die absolute Armut weltweit bis 2030 zu überwinden. Dann kam mit der Pandemie der Rückschlag. Die hohe Inflation, die Auslandsverschuldung, eine schwere Dürre, der Bürgerkrieg im Norden sowie bewaffnete Konflikte in andern Regionen führten in kurzer Zeit zu einer massiven Verschlechterung bei der Versorgung mit Lebensmitteln. Gemäss Welternährungsprogramm litten 2022 schätzungsweise 22,6 Millionen Menschen an Ernährungsunsicherheit. Äthiopien liegt beim Human Development Index (HDI) auf Platz 175 – die Schweiz auf dem ersten. Das Bruttoinlandprodukt pro Kopf ist hundertmal tiefer, die Kindersterblichkeit 16-mal höher als in der Schweiz.
Mit der aktuellen Mehrfachkrise in ärmeren Ländern ist nicht nur der Bedarf an Unterstützung grösser geworden. Die Hilfe ist auch immer stärker unterfinanziert. Im Fall von Äthiopien fehlt im laufenden Jahr die Hälfte der Gelder, die gemäss UNO notwendig wären. Viele weitere Länder des Globalen Südens sind betroffen. Caritas fordert in ihrem neuen Positionspapier, dass die Schweiz ihre finanziellen Mittel gegen die Ernährungskrise massiv erhöht. Mit Entschuldung und einer konsequenten Klimapolitik kann die Schweiz zudem einen Beitrag leisten, den Krisenfolgen entgegenzuwirken.
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Titelbild: Äthiopien ist eines jener Länder des Globalen Südens, die von der aktuellen Mehrfachkrise besonders stark betroffen sind. © Andreas Schwaiger