«Heimweh ist eine Schweizer Erfindung»
Lukas Hobi ist Filmemacher und Caritas-Kinder-Pate. Mit seiner Firma Zodiac Pictures produzierte er Kassenschlager wie «Die göttliche Ordnung», «Achtung, fertig, Charlie!» oder «Heidi». Im Interview erzählt der Familienvater, wieso Kindergeschichten zeitlos und die Mundart ein Kulturgut sind.
Lukas Hobi, wie kommt es, dass Sie Kinder-Pate bei Caritas Schweiz sind?
Ich habe drei Söhne. Als sie alt genug waren, setzten wir uns alle zusammen an den Tisch und studierten die Broschüre mit den Kinderpatenschaften. Uns war es wichtig, unseren Söhnen ein Bewusstsein dafür zu vermitteln, dass es anderen Kindern auf der Welt weniger gut geht und viele gar kein Zuhause haben. Die Jungs entschieden sich für eine Patenschaft zum Thema «Kinder in die Schule». Das ist schon lange her, heute sind sie Teenager. Als ich ihnen von diesem Interview erzählte, konnten sie sich aber noch erinnern, dass wir eine solche Patenschaft haben. Das finde ich schön.
Im Portfolio Ihrer Produktionsfirma Zodiac Pictures finden sich Geschichten vom Räuber Hotzenplotz, dem kleinen Gespenst, Papa Moll und Heidi. Wieso machen Sie gerne Kinderfilme?
Weil es Spass macht. Meine Generation ist mit dem amerikanischen Popcorn-Kino aufgewachsen: Indiana Jones, E. T. oder Ghost Busters haben unsere Wochenenden zu Abenteuern gemacht. Ein Film soll unterhalten – und das tun auch unsere Spielfilme. Entsprechend Freude macht es, sie zu produzieren.
Denken Sie an Ihre Söhne, wenn Sie Kindergeschichten verfilmen?
Vielleicht insofern, dass ich es schon nicht ganz irrelevant finde, was sich Kinder im Fernsehen anschauen. Die allermeisten Kinderfilme kommen aus Hollywood und sind animiert. Schweizer Produktionen für Kinder und Familien im Kino sind selten. Mit Geschichten lernen Kinder – ob im Film oder Buch – sich mit grundlegenden Emotionen auseinanderzusetzen wie Freude, Sehnsucht oder Angst. Und sie lernen, was Empathie ist. Sie fiebern mit den Figuren in der Geschichte mit, freuen und fürchten sich mit ihnen. Das funktioniert viel besser bei Filmen mit echten Menschen als bei animierten. Unser Anliegen ist es, Kindergeschichten im Schweizer Kontext, mit echten Menschen und in Mundart zu verfilmen.
«Mit Mundartfilmen wollen wir Kindern Geschichten erzählen, die ihnen ganz nah sind – örtlich und sprachlich.»
Wieso ist Ihnen die Mundart wichtig?
Unsere Sprache ist ein Kulturgut. Mit Mundartfilmen wollen wir ihre Bedeutung erhalten und Kindern Geschichten erzählen, die ihnen ganz nah sind – örtlich und sprachlich. Bei der Heidi-Verfilmung zum Beispiel war uns besonders wichtig, alles authentisch aussehen zu lassen. Es sollte dreckig sein, das Mädchen läuft bei Eiseskälte barfuss herum und leidet Hunger. Und sie spricht Mundart und lebt in den Schweizer Bergen. Animationsfilme werden zwar immer besser, aber solche Emotionen können wir mit einer gezeichneten Figur kaum erzeugen. Diesbezüglich ist Heidi aber auch ein besonderer Fall.
Inwiefern?
Der Moment, als Heidi zurück in die Berge kommt und dem Alpöhi wieder in die Arme springt: Sagen Sie mir nicht, Sie hätten da noch nie eine Träne verdrückt. Diese ikonische Geschichte von Johanna Spyri spielt mit den grundlegendsten Sehnsüchten und Emotionen des Menschen: Geborgenheit, Heimat, Heimweh. Das kennen wir alle, das verbindet uns, egal, wie alt wir sind. Das Konzept Heimweh ist im Übrigen eine Schweizer Erfindung: Man findet das Wort zum ersten Mal in Briefen von Söldnern, die an ihre Familien zuhause schrieben. Genau deswegen funktioniert die Geschichte auch 150 Jahre nachdem sie geschrieben wurde, und wird es auch in 100 Jahren noch. Sie ist zeitlos, wie viele Kindergeschichten und Märchen.
Welche Kindergeschichte würden Sie gerne noch verfilmen?
Pippi Langstrumpf. Diese Geschichte habe ich als Kind selbst so gemocht und sie ist mir sehr geblieben. Pippi ist ein Waisenkind – von denen es ja viele gibt auf der Welt. Auf eigene Faust geht sie ihren Papa suchen und erlebt dabei die wildesten Abenteuer. Die bekannte Verfilmung aus den 70er-Jahren ist mit echten Menschen gedreht. Entsprechend Eindruck hat der Film bei mir hinterlassen, vor allem die Szene, als die drei Kinder allein mit dem Heissluftballon davonfliegen. Solche Erinnerungen bestärken mich in unserem Anliegen, auch weiterhin Kinderfilme mit tollen Geschichten zu produzieren.
Seit dem Jahr 2000 schreiben Lukas Hobi und sein Geschäftspartner Reto Schaerli mit ihrer Firma Zodiac Pictures Schweizer Filmgeschichte. Zu ihren grössten Erfolgen gehörten «Die göttliche Ordnung», «Achtung, fertig, Charlie!» oder «Heidi». Der 48-jährige lebt mit seiner Familie in Luzern und hat seit 2016 eine Kinderpatenschaft bei Caritas Schweiz.
Weitere Informationen
Titelbild: Lukas Hobi verfilmt mit seinem Partner Reto Schaerli klassische Kindergeschichten im Schweizer Kontext, mit echten Menschen und in Mundart. Ihr grösster Kassenschlager bisher: Heidi. © Johanna Unternährer/Janmaat Fotografie