Kampf gegen Mädchenbeschneidung
In der Schweiz sind viele Frauen und Mädchen von weiblicher Genitalbeschneidung betroffen, trotz Verbots. Caritas Schweiz unterstützt den Aufbau regionaler Anlaufstellen, die Betroffene und Fachpersonen kompetent begleiten und beraten.
Geschätzte 22'000 Mädchen und Frauen sind in der Schweiz von weiblicher Genitalbeschneidung (FGM/C) betroffen oder davon bedroht. Der Eingriff gilt in einigen kulturellen Gemeinschaften als Ritual und wird meist ohne Betäubung und unter unhygienischen Bedingungen vorgenommen. FGM/C verstösst gegen die Menschenrechte und ist in der Schweiz verboten.
2016 hat Caritas Schweiz im Auftrag des Bundes mit anderen Organisationen das Netzwerk gegen Mädchenbeschneidung Schweiz gegründet. Es unterhält ein Informationsportal zu FGM/C und berät Betroffene sowie Fachpersonen. Vor allem aber unterstützt es den Aufbau regionaler Anlaufstellen, inzwischen gibt es in fast jedem Kanton eine.
Wenn der Kampf gegen FGM/C aus der Community selbst kommt
Bella Glinski ist Mitinitiantin der regionalen Anlaufstelle Ostschweiz und Liechtenstein und leitet diese heute. Sie sensibilisiert und berät Fachpersonen im Gesundheits- und Sozialwesen sowie pädagogisches Personal und begleitet betroffene und gefährdete Mädchen und Frauen. Zudem ist sie als Dolmetscherin tätig.
Nebst der Präventionsarbeit ist eine weitere wichtige Funktion der Anlaufstelle laut Glinski, dass betroffene Frauen an spezialisierte Fachpersonen verwiesen werden. Zum Beispiel, wenn es einen medizinischen Eingriff braucht: «Bei wem sich betroffene Frauen Hilfe suchen, ist matchentscheidend. Eine sogenannte Defibulation, also die Rückbildung einer Beschneidung, ist kein Standardprozedere und sollte nur von spezialisierten Fachpersonen vorgenommen werden. Zudem muss die Patientin von einer kompetenten kulturellen Vermittlerin begleitet werden. Der Umgang mit dem Trauma wird häufig unterschätzt.»
Bella Glinski stammt selbst aus einer Gemeinschaft, in der FGM/C Tradition hat. Die Präventions- und Aufklärungsarbeit ist viel wirkungsvoller, wenn betroffene Menschen selbst sprechen können, als wenn über sie gesprochen wird:
«Gefährdete oder betroffene Frauen und Mädchen hören mir zu und verstehen mich besser, weil ich aus der gleichen Kultur komme.»bella GlinskiLeiterin Anlaufstelle Mädchenbeschneidung Ostschweiz und Liechtenstein
Das Thema ist innerhalb der betroffenen Bevölkerungsgruppen genauso ein Tabu wie in der Schweizer Gesellschaft. Umso wichtiger ist ein sensibler Umgang damit auf Augenhöhe.
Im August 2023 hat das Netzwerk gegen Mädchenbeschneidung Schweiz ein Dokument mit Empfehlungen im Umgang mit FGM/C für Fachpersonal im Gesundheitswesen publiziert.
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Titelbild: © Heike Grasser