Klimaverträgliche Mobilität für alle bezahlbar machen
Wie kann die Schweiz eine klimaverträgliche Mobilität so ausgestalten, dass sie auch für Menschen mit wenig Geld bezahlbar bleibt? In einem neuen Positionspapier zeigt Caritas Schweiz auf, dass eine ökologische Verkehrswende notwendig ist, und präsentiert konkrete Lösungsvorschläge für die sozialverträgliche Umsetzung.
Das Klimaschutzgesetz, dem die Bevölkerung im vergangenen Sommer an der Urne zustimmte, legt fest, dass unsere Emissionen bis ins Jahr 2050 auf Netto Null reduziert sein müssen. Das Gesetz sieht vor, dass dieser Weg sozialverträglich auszugestalten ist.
Dies gilt insbesondere auch in der Verkehrspolitik. Der Verkehrssektor ist für rund ein Drittel der Treibhausgasemissionen der Schweiz verantwortlich. Ob wir unsere Klimaziele erreichen, hängt deshalb massgeblich davon ab, ob wir rasch genug von fossil betriebenen Verbrennungsmotoren wegkommen.
Diese notwendige Verkehrswende ist auch von sozialpolitischer Bedeutung. Mobilität ist eine zentrale Voraussetzung dafür, dass Menschen am Arbeitsmarkt und am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. Bereits heute müssen Menschen mit tiefem Einkommen ihre Mobilität stark einschränken. Sie legen nicht einmal halb so viele Kilometer zurück wie Personen mit hohen Einkommen.
«Die Schweiz braucht eine Verkehrspolitik mit Armutsperspektive. Politik und Verwaltung sollten bei jeder Massnahme die Lebensrealität von Menschen in prekären Situationen berücksichtigen.»Aline MaséLeiterin der Fachsstelle Sozialpolitik bei Caritas Schweiz
CO2-Abgabe auf Treibstoffe rückvergüten, Sozialtarife für den ÖV
Eine zentrale Forderung der Caritas lautet: Wird eine CO2-Abgabe auf Benzin und Diesel eingeführt, muss ein Grossteil der Einnahmen an die Bevölkerung zurückverteilt werden, um Menschen mit tiefen Einkommen für ihr klimaverträgliches Verhalten zu belohnen. Analog dazu muss auch eine allfällige Flugticketabgabe zumindest teilweise an die Bevölkerung rückverteilt werden.
Caritas plädiert zudem für die Einrichtung eines Klimasozialfonds. Dieser soll aus Einnahmen aus Emissionshandelssystemen, einem allfälligen Mobility Pricing und weiteren preisbasierten Massnahmen geäufnet werden. «Aus einem solchen Fonds liessen sich flankierende Massnahmen finanzieren, die finanziell schwächere Haushalte darin unterstützen, an der Verkehrswende teilzunehmen», unterstreicht Aline Masé.
Im weiteren ist es aus Sicht der Caritas dringend notwendig, Sozialtarife für den öffentlichen Verkehr einzuführen, damit Menschen in prekären finanziellen Situationen die klimafreundlichen Angebote nutzen können. Dabei könnte die KulturLegi der Caritas als Ausweis dienen.
Caritas-Positionspapier zu klima- und sozialverträglicher Verkehrspolitik:
Mit dem Projekt myRIDE testet die ÖV-Branchenorganisation Alliance SwissPass ein System, in welchem die Reisenden ein lückenloses digitales Reisetagebuch führen. Gemeinsam mit dem Konsumentenschutz, IGöV, VASOS und VCS fordert die Caritas, dass auch mit der digitalen Weiterentwicklung von Tarifen und Tickets der Zugang zum öffentlichen Verkehr für alle Menschen in der Schweiz gewährleistet bleiben muss – mit transparenten und verständlichen Preisangaben.
Eine Digitalisierung des Tarifsystems kann für alle Bevölkerungsgruppen eine Chance sein. Es darf aus Sicht der Caritas aber nicht passieren, dass ein neues Tarifsystem gesellschaftlichen Ausschluss fördert. Aufgrund der vorliegenden Informationen sehen wir folgende heikle Punkte:
• Digitale Zahlungsmittel wie Kreditkarten und Bezahl-Apps bergen immer ein Verschuldungsrisiko, da sie es ermöglichen, Ausgaben zu tätigen, für die kein Budget vorhanden ist.
• Das Prinzip des Post-Pricings für Personen mit knappem Budget problematisch. Wer jeden Rappen vor dem Ausgeben umdrehen muss, ist darauf angewiesen, den Preis für eine ÖV-Fahrt im Voraus zu kennen.
• Häufige Nutzung des ÖV-Angebotes preislich zu bevorteilen, ist zum Nachteil von ärmeren Menschen, da sie naturgemäss möglichst wenige Fahrten einplanen.
• Eine komplette Digitalisierung des Tarifsystems schliesst Menschen aus, die keinen Zugang zu den nötigen digitalen Dienstleistungen und Geräten haben, sei es aufgrund zu geringer finanzieller Mittel, aufgrund fehlender digitaler Kompetenzen oder weil sie keine Ausweispapiere, Mobiltelefonnummer und Meldeadresse vorweisen können. Diese Gruppen wird die Nutzung des öffentlichen Verkehrs erschwert oder verunmöglicht, wenn Fahrkarten nur noch digital zur Verfügung stehen.
Weitere Informationen
Titelbild: Ein Billett im öffentlichen Verkehr soll auch für Familien mit tiefem Einkommen erschwinglich sein. © Conradin Frei, Caritas Schweiz