Milena greift nach dem zerbrechlichen Glück
Milena will Malerin werden. Sie träumt davon, die Kunstakademie zu besuchen. Der Weg dahin ist lang und steinig, denn sie ist Roma und ihre Familie bitterarm. Aber die 13-Jährige ist ehrgeizig, begabt - und sie wird in einem Projekt der bosnischen Caritas besonders gefördert.
In ihren Bildern ist die Welt schön. Es gibt Blumen, farbenfrohe Figuren, elegante Formen und lustige Trolle. Die Wirklichkeit, in der sie mit ihrer Familie lebt, sieht anders aus. Die Roma-Siedlung in Bijeljina ist trist. Die meisten Häuser dort wirken heruntergekommen. Viele Menschen haben sich ihre bescheidenen Unterkünfte aus Sperrmüll zusammengebaut.
In diesem Stadtteil wachsen Milena und ihre fünf Geschwister auf. Ihre Eltern haben ein kleines, schlichtes Häuschen gemietet. Der Vater verdient mit Gelegenheitsarbeiten den Lebensunterhalt für die Familie. Das Geld reicht hinten und vorne nicht. Aber die Eltern wollen auf keinen Fall, dass ihre Kinder betteln gehen. Sie sollen auch immer sauber angezogen sein. Mutter Fatija verspricht:
«Mit unseren 20 Fingern werden mein Mann und ich Geld verdienen und für alles sorgen, was unsere Kinder brauchen.»FatijaMutter von Milena
Milenas zwei Brüder und drei Schwestern sollen eine Chance für eine bessere Zukunft haben, auch wenn sie unter erschwerten Bedingungen in der Roma-Siedlung gross werden.
Ein Lichtblick im bedrückenden Alltag
Ein Lichtblick in dem bedrückenden Alltag ist das Zentrum «Otaharin», ein Projekt, das Caritas Schweiz unterstützt. Milena liebt die gelöste Stimmung in der Tagesstätte, die farbenfrohe Gestaltung, das liebevolle Personal. Fast jeden Tag nach der Schule geht sie dort vorbei. Diszipliniert besucht sie am Nachmittag den Stützunterricht, denn für ihren grossen Traum von der Kunstakademie braucht sie einen guten Schulabschluss. Regelmässig nimmt sie auch an Sportveranstaltungen teil, lernt mit Begeisterung tanzen. Und wen wundert’s: sie lässt sich keinen Kreativkurs entgehen.
«Ich bin froh, dass sie mein Talent erkannt haben.»Milena (13)Schülerin
Die Lehrerinnen und Lehrer loben aber nicht nur den Eifer und die künstlerischen Fähigkeiten des Mädchens mit den langen, schwarzen Haaren. «Sie sagen, dass alle Kinder unserer Familie sehr begabt sind.» Lächelnd schiebt Milena nach: «Ich bin froh, dass sie mein Talent erkannt haben.» Es erfüllt sie mit besonderem Stolz, wenn ihre Bilder in der Schule ausgestellt werden. Da scheint der Traum, Künstlerin zu werden, zum Greifen nah.
© Cat Norman Tahirović
Mehr Chancen für Kinder aus Roma-Familien
Das IASI-Programm der Caritas bekämpft Armut und soziale Ausgrenzung von Roma-Familien und stark armutsbetroffenen Menschen in Bosnien. Es geht darum, die Wohnsituation der Familien zu verbessern, Arbeitsplätze zu schaffen und den Familien zu ermöglichen, zum Arzt zu gehen, wenn jemand krank ist. Besonders wichtig ist, dass alle Kinder der Lage sind, öffentliche Einrichtungen wie Kindergärten und Schulen zu besuchen.
Dafür reicht das Budget nicht
Seit Milena ins Otaharin-Zentrum geht, ist sie regelrecht aufgeblüht. Ihre Mutter berichtet, wie sehr ihr das Projekt in ihrer Entwicklung helfe, selbstbewusst und stark mache. «Wenn sie von den Workshops nach Hause kommt, ist sie sehr fröhlich. In ihren Zeichnungen sehe ich, dass sie glücklich ist.» Doch die Mutter weiss auch, wie zerbrechlich dieses Glück ist. «Manchmal», so erzählt die Mutter, «braucht Milena gleichzeitig Schulmaterial und neue Buntstifte zum Zeichnen». Dann kommt die Familie an ihre Grenzen. Das übersteigt das knappe Budget.
«Zum Glück erhält Milena fürs nächste Jahr ein Stipendium», zeigt sich Mutter Fatija dankbar. Auch die wissbegierige 12-Jährige ist froh, dass sie dank dem Projekt weiterhin den Unterricht besuchen kann. Die Nachmittage wird sie auch in Zukunft im Otaharin-Zentrum verbringen und ihrem Leben so einen wunderbar farbigen Anstrich verleihen.
Gut zu wissen
Mit monatlich 50 Franken, kann ein Kind Mal- oder Musikkurse besuchen.
Ein Stipendium von 800 Franken sichert einem Kind den integralen Schulzugang für ein Jahr.
Weitere Informationen
Titelbild: Die Lehrerinnen und Lehrer loben den Eifer und die künstlerischen Fähigkeiten von Milena. © Cat Norman Tahirović