Sparen auf Kosten der Ärmsten

Bundesrat will keine Zusatzfinanzierung für die Ukraine-Hilfe

Am Mittwoch hat der Bundesrat seinen lang erwarteten Entscheid bekannt gegeben, wie er den Schweizer Beitrag zum Wiederaufbau in der Ukraine finanzieren will. Leider haben sich dabei die Befürchtungen bestätigt: Dies wird auf Kosten der Entwicklungszusammenarbeit und damit der Ärmsten im Globalen Süden gehen. Die Folgen dieses Entscheids sind gravierend.

Dass die Schweizer Unterstützung für den Wiederaufbau der Ukraine in den kommenden Jahren auch aus dem Topf für die Internationale Zusammenarbeit (IZA) finanziert werden soll, war abzusehen. Dass dies – zumindest bis 2028 – vollumfänglich so geschehen soll, kommt aber überraschend, hatten sich doch in der Vernehmlassung zur IZA-Botschaft fast alle Stimmen für zusätzliche Finanzierungsquellen ausgesprochen. 5 Milliarden Franken will der Bundesrat bis 2036 für die Ukraine-Hilfe zur Verfügung stellen. Die bis 2028 anfallenden 1,5 Milliarden Franken sollen vollständig zulasten des IZA-Budgets gehen.

Das lässt sich nicht anders als mit einschneidenden Kürzungen bei Projekten beispielsweise in Subsahara-Afrika umsetzen. Die Schweiz zeigt sich solidarisch mit der Ukraine, was angesichts des anhaltenden Krieges und der massiven Zerstörung im Land auch richtig ist. Den Preis dafür bezahlen jedoch die ärmsten und verletzlichsten Menschen im Globalen Süden, bei denen Schweizer Entwicklungsgelder gestrichen werden.

Für Caritas Schweiz ist dies angesichts der derzeitigen Mehrfachkrise nicht nachvollziehbar. Wir beobachten mit grosser Sorge, wie Kriege, bewaffnete Konflikte, die globale Inflation und Verschuldung sowie die Klimakrise die Menschen weltweit vor grosse Herausforderungen stellen. Es braucht deshalb mehr Solidarität der Schweiz, über die Ukraine-Hilfe hinaus. Die Caritas fordert das Parlament auf, den Entscheid zu korrigieren und für den Wiederaufbau in der Ukraine andere Finanzierungsmöglichkeiten ausserhalb des IZA-Budgets zu nutzen.

Schöngeredeter Beitrag der Schweiz für die Entwicklungshilfe

Es gibt gute Argumente dafür, dass sich die Schweiz in der globalen Armutsbekämpfung stärker engagieren soll. Am Donnerstag wurden die Zahlen publiziert, wie viel Geld die Schweiz im Jahr 2023 für die öffentliche Entwicklungshilfe (Aide publique au développement, APD) aufgewendet hat. Darunter fallen alle Beiträge, die der Bund, die Kantone und die Gemeinden einsetzen, um die soziale und wirtschaftliche Entwicklung in Ländern im Globalen Süden zu unterstützen.

Die APD-Quote stellt die Ausgaben, die ein Staat pro Jahr für die Internationale Zusammenarbeit ausgibt, ins Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen. So soll ein internationaler Vergleich zwischen den Geberländern ermöglicht und dabei die Wirtschaftsleistung der Staaten berücksichtigt werden. Im Jahr 2023 hat die Schweiz rund 3,3 Milliarden Franken für die Entwicklungshilfe im Globalen Süden aufgewendet. Sie erreichte damit eine APD-Quote von 0,43 Prozent.

Gemäss den Zielen der Vereinten Nationen, zu denen sich auch die Schweiz bekennt, müssen die reichen Länder jährlich mindestens 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für die Internationale Zusammenarbeit aufwenden. Die Schweiz ist meilenweit von diesem Ziel entfernt. 2011 hatte das Parlament das Ziel gesetzt, zumindest 0,5 Prozent zu erreichen, was allerdings in den vergangenen Jahren nur durch die grosszügige Anrechnung der Asylkosten erreicht wurde.

Diese Praxis der Berücksichtigung der Asylkosten ist gemäss den Richtlinien der OECD zwar erlaubt, aus Sicht der Caritas jedoch mehr als fragwürdig. So werden Gelder an die APD-Quote hinzugerechnet, welche die Schweiz gar nicht verlassen. Von «Entwicklungshilfe» kann bei diesen Asylkosten keine Rede sein. Wie problematisch diese Praxis ist, zeigte sich bereits 2022. Damals waren als Folge des Angriffskrieges Russlands eine grosse Zahl Ukrainerinnen und Ukrainer in die Schweiz geflüchtet. Unter Berücksichtigung der Asylkosten führte dies gemäss dem Bund zu einer APD-Quote von 0,56 Prozent. Die Quote für die eigentliche Entwicklungshilfe im Ausland lag aber bei nur 0,4 Prozent.

Auch 2023 war die Zahl der Menschen gross, die in der Schweiz aufgrund von Krisen und Kriegen in ihrem Heimatländern Schutz suchten. Nun rühmt sich der Bund damit, im vergangenen Jahr eine APD-Quote von 0,6 Prozent erreicht zu haben. Mehr als einen Viertel der Kosten, die dafür berücksichtigt werden, stammten jedoch aus dem Asylbereich innerhalb der Schweiz. So redet sich der Bund seine APD-Quote schön. Er lenkt damit davon ab, dass er sich mit seinen geplanten Sparmassnahmen bei den Geldern für den Globalen Süden immer weiter weg bewegt vom international vereinbarten Ziel, 0,7 Prozent für die ärmsten Länder aufzubringen.

Bevölkerung mehrheitlich für Stärkung der Entwicklungszusammenarbeit

Dass der Bundesrat ausgerechnet bei der finanziellen Unterstützung für die Ärmsten im Globalen Süden sparen will, widerspricht aber nicht nur dem internationalen Ziel und der eigenen Zielsetzung, sondern auch dem Willen der Schweizer Bevölkerung. Dies hat eine kürzlich publizierte Umfrage deutlich gezeigt. Das Zentrum für Entwicklung und Zusammenarbeit NADEL der ETH Zürich hat untersucht, wie die Schweizer Bevölkerung die globale Zusammenarbeit zur Armutsbekämpfung sieht.

Fast zwei Drittel der Befragten gaben an, dass sie besorgt seien über die weltweite Armut. Nachdem sie im Rahmen der Umfrage informiert wurden, wie hoch die jährlichen Ausgaben der Schweiz für die Internationale Zusammenarbeit sind, sprachen sich 58 Prozent für eine Erhöhung dieses Betrags aus. 30 Prozent plädierten dafür, den Betrag beizubehalten.

Die Umfrage wurde im Herbst 2023 zum dritten Mal durchgeführt und ist repräsentativ. Der Bundesrat hingegen zieht es vor, auf dem Buckel der Armen zu sparen. Das Parlament hat die Möglichkeit, dies zu ändern.

Weitere Informationen

Angela Lindt

Leiterin Fachstelle Entwicklungs- und Klimapolitik

+41 41 419 23 95alindt@caritas.ch

Titelbild: © Souleymane Drabo