Von einem Elend ins nächste
Wegen der Kämpfe im Sudan sind bisher über vier Millionen Menschen vertrieben worden. Viele fliehen in den benachbarten Südsudan, ihre alte Heimat. Doch auch dort ist die humanitäre Lage katastrophal, sagt Albino Akol Atak, der zuständige Minister Südsudans, gegenüber Caritas Schweiz. Nun erarbeitet die Caritas ein umfassendes Nothilfeprogramm.
Seit Monaten herrscht Krieg im Sudan. Was in der Hauptstadt Khartum begann, hat mittlerweile Auswirkungen auf die ganze Region. Auch auf die Nachbarländer. So sind bisher über 240'000 Personen an der südsudanesischen Grenze registriert worden, darunter viele Rückkehrende. Sie waren in den vergangenen Jahrzehnten wegen Konflikten, Ernährungsunsicherheit, Dürren und Überschwemmungen vom Südsudan in den Sudan geflüchtet.
Nun sind sie gezwungen, in ihre alte Heimat zurückzukehren, gemeinsam mit Tausenden Sudanesinnen und Sudanesen. Die meisten sind bei der Stadt Renk über die Grenze geflohen. Dort ist der Zugang zu Essen, Wasser, sanitären Anlagen und medizinischer Versorgung jedoch nicht gesichert. «Die derzeitige humanitäre Lage im Südsudan ist ernst», bestätigt Albino Akol Atak, der südsudanesische Minister für humanitäre Angelegenheiten und Katastrophenmanagement, im Gespräch mit Caritas Schweiz. «Schon vor der aktuellen Flüchtlingsbewegung sahen wir uns mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert, zum Beispiel mit einem begrenzten Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen.» Nun sei die Situation noch angespannter.
Caritas Schweiz hat deshalb schon im Frühjahr in Renk mit der lokalen Partnerorganisation African Development Aid ein Nothilfeprojekt gestartet. Neuankommende erhalten seither Bargeldhilfe, um eigenständig den dringendsten Bedarf decken zu können. Zudem werden sie psychosozial betreut, um erlebte Traumata zu verarbeiten.
Den Menschen im Gorom-Lager in Juba fehlt es an allem
Diese erste Nothilfe ist enorm wichtig. Denn nach der Ankunft im Südsudan finden zwar alle Menschen in Transitzentren der Vereinten Nationen Unterschlupf. Diese Zentren müssen sie nach drei Tagen aber wieder verlassen. Die Menschen ohne Wurzeln im Südsudan werden danach in offiziellen Flüchtlingslagern aufgenommen, die rückkehrenden Flüchtlinge jedoch nicht. Denn die Regierung geht davon aus, dass sie im Land bleiben werden. Daher setzt die Politik alles daran, dass sie möglichst rasch in ihre Heimat im Südsudan weiterziehen.
Die Realität sieht jedoch anders aus: Viele von ihnen haben kaum noch Bindungen in den Südsudan und oft keine Familie mehr. Aus Not verharren sie in informellen Lagern. Eines davon ist das Gorom-Lager in der Hauptstadt Juba. Es besteht schon seit Jahren und wird von Menschen aus verschiedenen Nachbarländern des Südsudans, beispielsweise Äthiopien, bewohnt. Es wurde ursprünglich für 4'000 Menschen errichtet und war schon vor der Gewalteskalation im Sudan übervoll.
Derzeit leben in dem Lager 15ʼ000 Menschen unter unwürdigen Bedingungen. Sie müssen sich mit Materialien, die sie auf der Strasse finden, eine Hütte bauen. Der Ernst der Lage ist auch dem südsudanesischen Staat bewusst: «Im Gorom-Lager herrscht eine akute Krise, in der selbst die Grundbedürfnisse wie Nahrung, Gesundheitsversorgung und Bildung nicht erfüllt werden», sagt Albino Akol Atak. «Die vulnerabelsten Menschen benötigen sofortige Hilfe». Der südsudanesische Staat ist aber schlicht nicht in der Lage, Unterstützung für so viele Menschen zu leisten. Zudem wurden die Mittel der Vereinten Nationen für diese Region kürzlich drastisch gekürzt.
Die ambitionierten Pläne der Caritas in Juba
Caritas Schweiz wurde vor wenigen Wochen auf das Lager aufmerksam und machte sich, erschüttert von den Umständen, sofort an die Arbeit. Nachdem sie bereits lebenswichtige Güter dorthin geliefert hat, plant sie mit Caritas Juba nun ein umfassendes Nothilfeprojekt. Das Vorhaben umfasst die Lebensmittelversorgung, medizinische Hilfe, Bildungsangebote für Kinder und Berufsbildung für Erwachsene.
Der Minister für humanitäre Angelegenheiten befürwortet das Engagement der Caritas in Juba. «Caritas Schweiz hat wirksame Kooperationen mit lokalen Akteuren aufgebaut. Sie spielt eine wichtige Rolle bei der Deckung des humanitären Bedarfs im Südsudan und insbesondere im Gorom-Lager.» Albino Akol Atak mahnt aber, dass es der Mithilfe weiterer Organisationen bedarf, damit Familien ihre Not überwinden können. Er sagt: «Je mehr Partner wir für die Arbeit gewinnen können, desto besser und schneller können wir das Leid der Menschen mindern.»
Die Pläne der beiden Caritas-Organisationen sind bei vielen Institutionen auf reges Interesse gestossen. So konnte Caritas Schweiz bereits ein Konsortium aus verschiedenen Caritas-Parteien einberufen, um das breite Fachwissen in den Bereichen Bildung, Wasser und Hygiene, Lebensunterhalt und Schutz für das Gorom-Lager zu nutzen, die Aufmerksamkeit für die problematische Lage auszuweiten und die nötigen Gelder mit vereinten Kräften sicherzustellen.
Mit dem bevorstehenden Globalen Flüchtlingsforum vom 13. bis 15. Dezember in Genf bietet sich eine wichtige Gelegenheit, an der sich die internationale Gemeinschaft mit der globalen Flüchtlingskrise auseinandersetzen wird. Caritas Schweiz möchte das Bewusstsein für das Lager Gorom und den dringenden Bedarf an Hilfe schärfen, zur Diskussion beitragen und Einzelpersonen und Organisationen zum Handeln ermutigen.
Geschrieben von Daria Jenni, Mitarbeiterin Medien- und Öffentlichkeitsarbeit, Caritas Schweiz
Interviewanfragen und weitere Informationen: medien@caritas.ch
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Titelbild: © Joseph Kitsha