Wie die Schweiz kassiert, was dem Globalen Süden zusteht

OECD-Mindeststeuer

Die OECD will mit einer Mindeststeuer Grossunternehmen ab 2024 einheitlich versteuern. Auch die Schweiz plant, dies umzusetzen. Noch dieses Jahr wird darüber abgestimmt. Bei der bisherigen Debatte über die Verteilung und Verwendung der erwarteten Mehreinnahmen gerät aber eines in Vergessenheit: Die Schweiz wird trotz dieser Steuerharmonisierung weiterhin von Gewinnen profitieren, die eigentlich in ärmeren Ländern versteuert gehören. In den Projekten der Internationalen Zusammenarbeit erlebt die Caritas konkret, wie sich Steuerlücken im Globalen Süden negativ auf die Grundbedürfnisse der Menschen vor Ort auswirken.

Über Steuern werden Infrastrukturprojekte finanziert, in die Bildung und die Gesundheitsversorgung investiert und generell die Entwicklung im eigenen Land gefördert. Das kommt sowohl der Wirtschaft wie auch der Bevölkerung zugute, weshalb der Staat bei beiden Steuern einzieht. Je kleiner das Potenzial an Steuereinnahmen ist, desto grösser fällt die Steuerlast für jeden Einzelnen aus.

Gerade in ärmeren Ländern, in denen die Wirtschaft stark auf die Nutzung der natürlichen Ressourcen fokussiert, würden die Steuern von internationalen Grosskonzernen eine wichtige Rolle spielen. Multinationale Konzerne aber entgehen dieser Pflicht oft mit einem Trick: Gewinnverschiebung. Dabei platzieren sie eine Mutter- oder Tochtergesellschaft in einem steuergünstigen Standort wie der Schweiz. Diese Ablegerin stellt dann den anderen Unternehmenseinheiten Dienste oder Lizenzen zu horrenden Preisen in Rechnung. So schleust ein Konzern die Gewinne aus Hochsteuerländern heraus.

Die Schweiz gehört zu den grossen Profiteurinnen dieser Praxis. Laut «Economists without Borders» verschoben multinationale Konzerne 2021 rund 112 Milliarden US-Dollar in die Schweiz. Diese Gewinne, die effektiv nur mit rund 8 Prozent versteuert werden, generieren jedoch fast 40 Prozent der gesamten Schweizer Unternehmenssteuereinnahmen. Das sind zirka acht Milliarden Dollar.

Die OECD-Steuerharmonisierung

Die OECD will diesem Treiben nun einen Riegel vorschieben, indem alle Länder eine Mindeststeuer von 15 Prozent für Grosskonzerne einführen. Einem Land steht es zwar frei, einen Konzern mit einem tieferen Steuersatz zu belegen. Aber dann dürfen andere Länder, in denen dasselbe Unternehmen wirtschaftet, die Differenz mit einer Zusatzsteuer erheben. Auf diese Weise sollen Steueroasen ihren Reiz verlieren.

Der Bundesrat und das Parlament haben sich in der Umsetzung darauf geeinigt, dass die Kantone mittels einer Ergänzungssteuer die Differenz zwischen ihren regulären Steuersätzen, die vielerorts unter 15 Prozent liegen, und der Mindeststeuer einziehen. Ein Viertel der Mehreinnahmen müssen sie an den Bund abgeben. Die Einnahmen sollen für die Standortpolitik eingesetzt werden.

Der Globale Süden geht vergessen

Caritas Schweiz sieht die Vorteile eines einheitlichen Steuersatzes bei Grossunternehmen, denn der heutige Steuerwettbewerb führt in vielen Regionen zu beträchtlichen Finanzierungslücken. Der Umsetzungsvorschlag des Parlaments weist aber zwei grundsätzliche Probleme auf:

  1. Genau jene Länder im Globalen Süden, die schon heute unter dem Steuerverlust leiden, sehen nichts von den neuen Mehreinnahmen. Solange die Schweiz die vollen 15 Prozent beansprucht, gehen sie leer aus. Denn gegen die Gewinnverschiebungen aus dem Süden wirkt die Vorlage nicht.
  2. Der Mindeststeuersatz von 15 Prozent ist zu tief. Der globale Durchschnitt liegt knapp unter 25 Prozent und Länder im Globalen Süden müssen oft 25 bis 35 Prozent erheben. Die Schweiz bleibt also ein Tiefsteuerparadies.

Dabei hätte der Globale Süden das Geld gerade jetzt bitter nötig. Denn die dicht aufeinanderfolgenden Krisen infolge der Corona-Pandemie, des Klimawandels sowie der globalen Teuerung und Nahrungsmittelknappheit machen langjährige Erfolge in der Armuts- und Hungerbekämpfung zunichte, wie Caritas Schweiz in ihren Projektländern beobachtet. Steuerverluste bedeuten dann fehlendes Geld für Schulen, Zugang zu Trinkwasser und sanitären Einrichtungen, von Sozialleistungen ganz zu schweigen.

Aus Sicht der Caritas braucht es deshalb Steuermechanismen, welche die Länder des Globalen Südens angemessen an ihrer eigenen Wertschöpfung beteiligen. Die Schweiz hätte im Umfeld der OECD-Steuerharmonisierung dazu beitragen können. Mit der aktuellen Vorlage hat sie es aber verpasst, die Steuerverschiebungen einzuschränken und die globalen Ungleichheiten in Steuerfragen grundlegend anzugehen.

Geschrieben von David Sieber

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Titelbild: © Fatoumata Traoré