Zum ersten Mal im Leben glücklich
Chin (11) wohnt mit seiner Familie in einem Slum in Poipet im Norden Kambodschas. Sein Leben verbrachte der schüchterne Junge bis anhin mit Betteln. Seine Familie war auf die zusätzlichen Riel dringend angewiesen. Erst als ein Sozialarbeiter von Damnok Toek, einer Partnerorganisation von Caritas, auf ihn aufmerksam wird, verändert sich sein Leben drastisch.
Chin hat noch nie ein Schulhaus von innen gesehen. Seine Eltern arbeiten zwar fast rund um die Uhr. Doch das Geld reicht trotzdem nicht aus, um die siebenköpfige Familie zu ernähren. Anstatt die Schule zu besuchen, muss Chin betteln gehen. So kann er als ältester Sohn ein paar Riel für die Grossfamilie dazuverdienen.
«Meine Eltern haben kein Geld, um mich in die Schule schicken. Stattdessen muss ich den ganzen Tag betteln gehen, manchmal mit spät abends.»Chin (11)GEHT HALBTAGS ZUR SCHULE
So hat Chin kaum Zeit, Freunde zu finden oder zu spielen. Nähe oder Zuneigung hat er von seinen Eltern nie erfahren. Im Gegenteil: Regelmässig wird er von ihnen beschimpft oder gar bestraft, wenn er nicht die vorgegebene Summe nach Hause bringt. Manchmal bedrohen ihn zudem Mitglieder von Strassengangs und zwingen ihn, das mühsam erbettelte Geld abzugeben. Solche Tage sind die schlimmsten.
© Khan Bhuntan
Irgendwann einen Beruf erlernen
Damnok Toek ist eine Partnerorganisation von Caritas und kümmert sich um Kinder, die auf der Strasse leben oder gar von ihren Eltern verkauft wurden. In ihrer tiefen Not sehen die Eltern oft keinen anderen Ausweg. Damnok Toek gibt diesen Kindern wieder eine Perspektive. Sie erhalten eine informelle Schulbildung, die ihnen später den Eintritt in die öffentliche Schule ermöglicht und den Weg für eine Beruf ebnet. Die Organisation arbeitet eng mit den lokalen Behörden zusammen.
Angst und Verzweiflung
Lange Zeit lebt Chin deshalb in grosser Angst und sieht keinen Ausweg aus der bedrohlichen Situation. Er fühlt sich wertlos und allein, verstummt immer mehr. Seine Verzweiflung hält ihn nächtelang wach, seine Gedanken kreisen. Er hat niemanden, mit dem er über all dies sprechen könnte. Schliesslich hat er kaum noch genug Energie, auf die Strasse zu gehen und zu betteln.
Eines Tages jedoch spricht ihn ein Sozialarbeiter der Organisation Damnok Toek, Partnerorganisation von Caritas, auf der Strasse an. Zuerst ist Chin sehr scheu und spricht nur wenig. Doch mit der Zeit fasst er Vertrauen zu diesem freundlichen Mann. Von da an wendet sich das Blatt für den schmächtigen Jungen. Der Sozialarbeiter nimmt sich seiner an und begleitet ihn eines Tages nach Hause, um mit seinen Eltern zu reden.
Zu Beginn reagieren diese sehr skeptisch auf den fremden Mann. Doch der Sozialarbeiter ist hartnäckig und erklärt Chins Eltern, wieso die Schule für den Jungen so wichtig ist. Sie wird ihm ein anderes Leben ermöglichen. Ein selbstbestimmtes. Er bespricht mit ihnen auch Möglichkeiten, wie sie mehr Einkommen erzielen können. Damnok Toek wird sie dabei unterstützen. Schliesslich geben die Eltern nach. Chin und auch seine Geschwister dürfen die Schule besuchen.
«Chin lacht immer öfter und hat Spass daran, neue Dinge zu lernen.»Lehrer von Chin
Einfach nur glücklich
Als der langersehnte erste Schultag vor der Tür steht, ist Chin aufgeregt und glücklich. Lange hat er sich auf diesen Moment gefreut und sich ausgemalt, wie der Alltag in der Schule wohl sein könnte. Bereits nach kurzer Zeit findet Chin Freunde und blüht förmlich auf: «Es war das erste Mal, dass ich in einem Klassenzimmer sass. Ich wurde von meinen Schulkameraden gut aufgenommen. Bald schon fühlte sich alles leichter an.» Er lachte immer öfter und hatte Spass daran, neue Dinge zu lernen. «Ich war einfach nur glücklich», fügt er mit leuchtenden Augen an.
Trotzdem geht Chin von Zeit zu Zeit noch betteln, um seine Eltern finanziell zu entlasten. Denn er möchte auf keinen Fall, dass seine vier Geschwister das Gleiche durchmachen müssen wie er.
Gut zu wissen
Mit 35 Franken finanzieren Sie 10 Schulbücher, die ein Kind in einem Schuljahr braucht.
Für 100 Franken erhält ein Kind ein Fahrrad, damit es zur Schule fahren kann.
Mit 445 Franken können Sie ein Kind ein Jahr lang ernähren.
Weitere Informationen
Titelbild: Sein Leben verbrachte der schüchterne Junge bis anhin mit Betteln. Nun kann er die Schule besuchen. © Khan Bunthan